Ich habe mein Motorradfahren auf der Straße zum Stilfserjoch gelernt. Vor über 30 Jahren lenkte ich zum ersten Mal in eine der 48 berühmten Serpentinen ein – auf einem dafür im Grunde nicht geeignetem Motorrad. Seitdem ist das Befahren von Alpenpässen die Essenz des Motorradfahrens für mich geworden.
Worin liegt eigentlich der Reiz beim Pässe fahren? Beschleunigen, bremsen, im Schritttempo durch Kehren wackeln und dann wieder zig-Mal von vorne – laut der Motorradkompetenz auf Social Media macht das doch keinen Spaß?
Diese Frage hat sich für mich nie gestellt – für mich ist es ist pure Notwendigkeit, denn meine Heimat ist von Bergen eingekesselt. Wenn ich irgendwo hin will, muss ich über einen Pass: Im Westen über den Ofen, im Norden über den Reschen, Stilfserjoch oder Umbrail öffnen den Weg in den Süden. Die passfreie Fahrt in östliche Richtung durch den verkehrschaotischen Vinschgau macht schon seit Jahren keinen Spaß mehr. Also fahre ich Pässe.
Meine zehn
liebsten Alpenpässe
#10 – Der Mortirolo (Italien)
Der Passo del Mortirolo (Kurviger-Route von Grosio nach Monno) war lange Jahre nur meine zweite Wahl. Er verkürzte zwar die Heimfahrt, wenn es über den Gavia ins Valcamonica ging und ich weder Lust auf die gleiche Strecke zurück noch auf den Umweg über den Aprica hatte. Trotzdem befuhr ich ihn ungern. Er fühlte sich auf meinen Straßenmaschinen immer irgendwie mühsam an.
Das änderte sich während meiner Supermoto-Zeit, ab 2002. Auf den Hooligan-Bikes wurde er zum Lieblingsspielplatz und zum Höhepunkt von engagierten Rundfahrten, offenbarte eine nicht gekannte Vielfalt an Befahrungsmöglichkeiten. Abschnittsweise supersteil, eng und herausfordernd unterhielt er mich grandios, faszinierte mit seinem Panorama über das Veltlin.
Ich geriet auf ihm in Schneestürme, in unfassbare Sommergewitter und strandete wegen von Murenabgängen verlegter Streckenabschnitte. 2019 fuhr ich ihn beim „Alpenbollern“ in Begleitung von lieben Freunden und übernachtete im urigen Rifugio unweit der Passhöhe. Vor allem die nächtliche Fahrt von Grosio zum Pass, in absoluter Einsamkeit und nur begleitet von den Lichtern des Veltlins, bleibt unvergessen.
#9 – Die Tremola (Schweiz)
So langweilig mir die Straße über den Gotthardpass immer ist, so magisch finde ich das Rollen über die Tremola (Kurviger-Route von Hospental nach Airolo). Wenn Millionen von Hand gesetzter Steine unter den Rädern durchziehen, gehen meine Gedanken in Richtung des immensen Aufwandes, der für den Bau notwendig war – und für die Wartung immer noch ist.
Während der Verkehr auf der Gotthardstraße links und rechts an mir vorbeischießt, genieße ich die langsame Fahrt auf dem einzigartigen Kopfsteinpflaster. Gilt der Gotthard in der Schweiz als Straßendenkmal, ist die Tremola der Grund dafür. Dass in Splügen und am Furkapass abschnittsweise die gleichen Steine und die gleiche rote Mittellinie verlegt sind, finde ich schöne Reminiszenzen.
Wenn die Erschütterungen des behauenen Granits jede lockere Verschraubung am Motorrad offenbaren und ganz neue Klänge hervorbringen, denke ich an eine Fahrt mit der historischen Postkutsche von Andermatt nach Airolo und den jenseitigen Preis dafür. Ich habe die Tremola mit der Harley, mit der Zero, mit dem Cabrio und mit dem Tesla mehrfach erlebt. Bin ich in der Nähe, muss ich sie befahren. Ihr Bezwingen mit dem Fahrrad steht noch aus.
#8 – Der Gavia (Italien)
Den Gaviapass (Kurviger-Route von Bormio nach Ponte di Legno) lernte ich auf direkte Art kennen: In Zeiten, als es noch keine Navis gab, folgte ich ein paar Motorradfahrern in das Val di Sole. Als sie nach Madonna di Campiglio abbogen, war auch meine Orientierung weg. Erst eine Landkarte an der Bretterwand eines Kiosks brachte Erleuchtung: Im Nordwesten würde irgendwann Bormio liegen, meine Heimat ist nah. Mir war allerdings nicht klar, dass die dünne Linie auf der Karte keine „normale“ Straße, sondern der unbefestigte, enge und ausgesetzte Gaviapass war – bis dahin hatte ich noch nie von ihm gehört.
Nach den ersten Kehren, als sich die Fahrbahn dramatisch verengte und der Asphalt in Schotter und Lehm überging, zweifelte ich im Sattel der schweren Yamaha FZR 1000 Exup an meiner guten Idee. Doch ich hatte keine Wahl: Es war Spätherbst, es war später Nachmittag. Umdrehen und wieder über den Tonale, durch das Val di Sole, über den Gampenpass und durch den Vinschgau zu fahren hätte mich nicht vor Mitternacht nach Hause gebracht.
So kämpfte ich mich zunächst im Regen, später bei Schneefall, den zweithöchsten Pass Italiens hoch: beide Füße mehr auf dem Boden als auf den Rasten, Visier und Brille beschlagen, Eiseskälte nicht nur in den Fingern, ständig im Infight mit der in den steilen Kehren kaum beherrschbaren Yamaha. Die sich im oberen Verlauf des Gavia öffnenden Abgründe verbarg zum Glück der dichte Nebel – ich wäre sonst an meiner Höhenangst gestorben.
Auf der Passhöhe wurde ich von dort stationierten Alpini ungläubig bestaunt – sie rechneten mit Vielem, aber nicht mit einem sich den Weg durch den Schnee bahnenden Motorrad. Nicht um diese Jahreszeit, nicht um diese Uhrzeit, nicht mit einem im dünnen und durchnässten Sommerleder fahrenden Typ im Sattel. Ob die sich vorstellen konnten, wie ich mich über den verhältnismäßig glatten Asphalt auf dem Weg hinunter ins Valfurva freute?
Ich kam vollkommen ausgekühlt und am Ende meiner Kräfte zuhause an. Immerhin kurz vor Mitternacht … Diese Fahrt hätte massiv ins Auge gehen können, hat sich zum Glück aber nur in meine Erinnerung gebrannt: Bei jedem Besuch des nun komplett asphaltieren Gaviapasses – bei vorheriger Kontrolle der Wettervorhersage – denke ich mit einem Lächeln daran zurück.
Portraitiert in MOTORRAD 6/2021 | Auszug aus dem Portrait
Höhenangst
und Pässe fahren
Sie läßt, wie so vieles im Alter, nach. Aber vor 30 Jahren, als zum Beispiel die Abbruchstelle hinter dem „Weißen Knott“ am Stelvio noch einspurig und wenig gesichert war, kostete mich diese Passage jedes Mal irrsinnige Überwindung. Die bisher letzte Blockade stoppte mich 2023 am Col du Galibier: Nach dem Anhalten am Abgrund für das folgende Foto war mir weder das Absteigen noch das Rangieren des Motorrads möglich.
#7 – Der Albula (Schweiz)
Auch der Name Albula (Kurviger-Route von La Punt nach Tiefencastel) sagte mir lange nichts. Die Schweiz war in den ersten Jahren meines Motorradlebens eine große Unbekannte – ich fuhr kaum einmal weiter ins Land als bis zum Fuorn. Falls doch, blieb der Albula meist links liegen. Die Kollegen gaben sich auf der Suche nach Schräglage lieber den Flüela oder den Julier.
Zum ersten Mal „richtig“ erlebte ich den Albula auf dem Fahrrad. Gute Freunde von mir nahmen am Slow Up-Fahrradtag für Jedermann teil und luden mich ein. Sie hatten von meinem Vorhaben gehört, den Stelvio mit dem Fahrrad zu bezwingen und empfahlen mir den Slow Up als Training. Also bezwang ich im Regen eines Herbsttags die Nordrampe und verliebte mich.
Denn der Albulapass ist eine landschaftliche Sensation. Aus dem Engadin führt eine herrlich fahrbare Straße in steinerne Wildnis mit mächtigen Schutthalden. Die Nordrampe hingegen schlängelt sich durch beängstigende Felsenmassen, um dann in einen kitschig schönen, aus einer Postkarte entflohen zu scheinenden Landstrich überzugehen. Die Rhätische Bahn kurvt mit der Straße um die Wette, in Bergün rüttelt das Kopfsteinpflaster an allen Zähnen, danach führt eine Traumstraße hinab nach Tiefencastel.
Durch die langsame und konzentrierte Fahrt mit dem Fahrrad habe ich jeden Meter des Albula noch im Kopf. Deswegen ist der Albula auf meinen Fahrten, zum Beispiel in die Innerschweiz, immer fix gebucht – auf der Hin- und Rückfahrt. Er ist einfach zu schön …
#6 – Der Grimsel (Schweiz)
Die Erinnerung an meine erste Grimselpass-Fahrt (Kurviger-Route von Innertkirchen nach Gletsch) ist unter den Eindrücken einer Motorrad-Gewalttour verblasst. An diesem Tag fuhr ich als Teil einer zügigen Gruppe Nufenen, Tremola, Furka, Grimsel, Susten, Oberalp sowie auf dem Heimweg den Flüela und den Fuorn. Es blieben nur Schmerzen an unguter Stelle zurück.
Einige Jahre später nahm ich mir mehr Zeit für die grandiosen Schweizer Pässe. Die nächtliche Fahrt zum Pass offenbarte zunächst nur wenig – dafür überwältigten mich die Eindrücke tags darauf. Abgesehen von der sensationellen Streckenführung, wie gemacht für Motorradfahrer, hatte ich derartige Steinfarben und -formen bis dahin noch nicht gesehen.
Scharfe Blöcke liegen gemeinsam mit organisch rund geschliffenen, rosa-grünen Felsen in den Hängen. Aus jeder Ritze drängt Schmelzwasser, immense Findlinge liegen mitten im Nichts und ich meine, das Getöse ihres Falles noch hören zu können. In diese wilden Natur pflanzte der Mensch gewaltige Betonmauern, staut das Wasser der Aare in mehrere große Stauseen, krönt alles mit einem noblen Hospiz, das gefühlt mitten im See liegt.
Die Gänsehaut am damals noch teilweise gefrorenen Totesee hatte ich nicht wegen der tiefen Temperaturen. Das Spiel der Landschaft – die Ebene bei Innertkirchen, senkrechte Felswände bei Guttannen und schließlich die krasse Granitwelt unweit der Passhöhe – ließ mich sprachlos zurück. Die nur sechs Kilometer lange Meienwang hinab nach Gletsch, die überhaupt nicht zum landschaftlichen Eindruck der Nordrampe passt, verstärkte mein Staunen noch.
Eine Woche lang befuhr ich den Grimsel auf verschiedenen Motorrädern, in beide Richtungen, zügig und gedankenverloren, alleine oder mit Freunden; irgendwann fand ich die zu diesem umwerfenden Landstrich passenden Worte. Seitdem ist eine Fahrt in die Innerschweiz ohne die Passage über den Grimsel nicht mehr denkbar.
Portraitiert in MOTORRAD 5/2023 | Auszug aus dem Portrait
#5 – Der Izoard (Frankreich)
Den Col d’Izoard (Kurviger-Route von Briançon nach Guillestre) habe ich in meinem Portrait als „Wunderspielplatz für alles, was rollt“ beschrieben. Außerhalb der Schweiz ist mir kein Alpenpass bekannt, der einen derartig perfekten Asphalt zeigt, keiner, dessen Landschaftsbild so abwechselnd und so fesselnd ist.
Sein Passhöhe, die durch feinstens fahrbare Kehren erreicht wird, ist kahl und von riesigen Schuttfeldern überzogen – in der Casse Déserte auf der Südrampe bricht dann ein Schauspiel über den Reisenden herein, das Seinesgleichen sucht. Man fühlt sich in eine ferne Wüste versetzt, erlebt ein nur knapp einen Kilometer langes Spektakel mit einer überwältigenden Abfolge von Eindrücken.
Den Izoard muss man bewusst fahren – und fahren wollen. Denn zwischen Briançon und Guillestre besteht eine wesentlich schnellere, aber eben auch unspektakulärere Verbindung. Der Izoard schlängelt sich parallel dazu durch weit oben durch die Bergwelt. Bei meinen Reisen in die Provence wähle ich meist den Weg durch das Tal der Durance – der kleine Umweg über den wunderbaren Col d’Izoard gehört selbst bei mißlungenem Zeitmanagement immer dazu.
Portraitiert in MOTORRAD 6/2021 | Auszug aus dem Portrait
#4 – Mont Ventoux (Frankreich)
Ja, ich weiß: Den Géant de Provence (Kurviger-Route von Sault nach Malaucène) als Alpenpass zu bezeichnen, ist verwegen – aber dieser dominant in der Landschaft stehende Koloss ist einer meiner Sehnsuchtsorte. Er ist bei meinen Urlauben im Süden Frankreichs ständig präsent, taucht immer wieder am Horizont auf, zieht meinen Blick auf sich, ich suche ihn permanent.
Bei meinem ersten Besuch bließ mich der Mistral beinahe von den Beinen; der Ventoux trägt den Namen „Windiger Berg“ eindeutig zu Recht. Ich befuhr ihn damals mehrmals unter wolkenlosem Himmel, was offenbar selten ist. Von seinen drei Auffahrten bekam ich nicht genug, ich stand schließlich im eisigen Nordwind und ließ mir von ihm den Schweiß der rasanten Motorradfahrten trocknen.
Ein besonderer Ort: Ich blickte vom Sommet du Ventoux bis zum Mittelmeer, über die Drôme Provençal und auf die höchsten Gipfel der Alpen. Und ich kam jedes Jahr wieder zurück: kein Provence-Urlaub ohne Besuch des Ventoux, egal, ob mit dem Motorrad, mit dem Auto oder mit dem Fahrrad. Der Gegensatz zwischen seiner von Lavendelfeldern, Weinbergen und dichtem Wald umrahmten Basis und der nackten Gipfelregion ist anziehende Magie, und ich gebe mich dieser Anziehung sehr gerne hin.
#3 – Der Ofen | Il Fuorn (Schweiz)
Erst hinter dem Ofenpass (Kurviger-Route von Müstair nach Zernez) beginnt die Schweiz; so meine Kindheitserinnerung. Tatsächlich trennt dieser mächtige Riegel die Eidgenossen ärger von uns Südtirolern als der Schlagbaum in Müstair. In ungezählten Fahrten nach Zernez und zurück – leider im Auto – lernte ich den Fuorn verstehen. Vor allem im Winter, wenn die Fahrbahn zwischen meterhohen Schneewänden eingeklemmt ist, ist das Wissen um die nächste Steigung entscheidend.
Der Ofen verleitet zum Heizen (sic!), Freunde von mir fingen sich mehrjährige Fahrverbote ein. Ab 80 km/h beginnt der finanzielle Schmerz, wobei man diesen Speed im gesamten Verlauf erst einmal können muss. Herausfordernde Serpentinen bietet der Ofen als einzige Verbindung aus der Schweiz in das Val Müstair zwar keine, dafür aber jede Menge flüssig fahrbarer Kurven.
Der angrenzende Nationalpark fasziniert mit sich selbst überlassener Wildnis, der Wechsel zwischen Weiden, Schluchten, breiten Bachbetten und sich in den Bergen verlierenden Tälern legt noch einen drauf. Wer in der Dämmerung unterwegs ist, hat ständig die Chance auf ein Rendezvouz mit der heimischen Fauna. Die Fahrt zwischen Müstair und Zernez ist ein fahrdynamisches Wellness-Programm, ich fahre den Fuorn mindestens einmal alle 14 Tage.
#2 – Der Susten (Schweiz)
2014 ging ich auf große Motorradtour. Eine Harley, sieben Tage, zehn Freunde und vier Dutzend Pässe in Italien, Frankreich und der Schweiz standen auf dem Programm. Der Sustenpass (Kurviger-Route von Innertkirchen nach Wassen) gehörte dazu, aber ich nahm nur wenig Erinnerungen an ihn mit nach Hause. Die ganzen Eindrücke konnte ich nicht verarbeiten.
2021 wünschte MOTORRAD ein Portrait; also machte ich mich erneut auf den Weg. Ich fand im Meiental, wenige Kilometer hinter Wassen, die Schweiz in ihrer vollen Schönheit. Der Verlauf der Strecke – einfach wunderbar. Die Strecke selbst ein Geschenk für Motorradfahrer. Mein schwerer Road King schwang sich auf über 2200 m Höhe, die Kurven nach Innertkirchen waren purer fahrerischer Genuß, die vorbeiziehende Landschaft begeisterte.
Tags darauf wechselte ich auf eine Zero SR/F, die Isa von Country Road vorbeigebracht hatte. Vor der Kamera von Uli tauchten wir gemeinsam in den Susten ein, fuhren seine Rampen mehrfach rauf und runter, feierten seine Radien auf den kräftigen Roadstern, wollten eigentlich nicht mehr weg.
Seitdem ist der Sustenpass auf der Liste meiner „Mag ich wieder fahren“-Pässe ganz weit oben. Das Buch „Sustenstrasse“ der PTT Bern aus 1948 beginnt mit dem Satz „… eine wertvolle Neugestaltung der jahrhundertealten Querverbindung zwischen den wichtigen Alpenübergängen Grimsel und St. Gotthard.“
Wertvoll. Genau das ist er.
Portraitiert in MOTORRAD 25/2021 | Auszug aus dem Portrait
Pleiten
und Pannen
30 Jahre auf Pässen unterwegs zu sein – was könnte schon schief gehen? Nun, ich lernte unter anderem: Geht es zügig aufwärts, geht auch der Verbrauch rasant nach oben. Mit schwerem Beifahrer reichen zum Beispiel einer Suzuki RGV 250 zehn Liter Benzin nicht mehr für eine Fahrt auf das Stilfserjoch. Und nein: Auch eine leichte RGV schiebt sich nicht leicht, vor allem nicht im Hochsommer und über mehrere Kilometer.
Bordwerkzeug ist eine feine Sache. Einer meiner erfreulichsten Momente war, als ich nachts auf dem Splügen meinen verlorenen Schalthebel UND dessen Schraube wieder fand, obwohl meine Supermoto alles hatte, nur kein helles Licht. Noch erfreulicher war, dass sich in der Hecktasche der KTM das passende Werkzeug für die Reparatur befand.
Schlecht ist, wenn sich jemand daran bedient – und man im Falle einer Panne dann blöd da steht. So geschehen am Gaviapass, als ich einmal einen Platten hatte.
Was auf Pässen praktisch ist: Runter kommt man meist immer. Als es dem Antriebsriemen meiner Zero SR/F auf dem Stilfserjoch bei einem engagierten Überholversuch zuviel wurde und er sich zweiteilte, kam ich so immerhin noch rollend zurück ins Tal. Und ja: Auch eine SR/F schiebt sich nicht leicht, wenn der Schwung der Talfahrt irgendwann nachlässt.
#1 – Das Stilfserjoch (Italien)
Natürlich kann nur das Stilfserjoch (Kurviger-Route von Spondinig nach Bormio) auf Platz 1 meiner Lieblingspässe stehen. Kein Pass liegt meiner Haustür näher, keinen bin ich öfter gefahren, keinen habe ich so durchdrungen – ob motorisiert oder aus eigener Kraft.
Es zog mir in den ersten Jahren nicht nur einen Zahn. Ich lernte auf der Suzuki RGV 250 mit der Motor-Atemnot in der Höhe umzugehen. Musste mich auf der Suzuki LS 650 mit der schwachen Bremse arrangieren. Ich plagte mich mit dem Gewicht der Yamaha FZR 1000 Exup und erlebte auf der Yamaha TRX 850 die Leichtigkeit des Motorradfahrens.
Auf den Supermotos malte ich Striche in die Kehren, fuhr nicht mehr nur einfach auf den Berg, sondern machte einen Sport daraus. Ich trainierte einen Sommer lang, um im Herbst mit dem Fahrrad oben anzukommen. Ich tauchte auf dem Joch in die Elektromobilität ein, fahre es nun am liebsten mit der Zero SR/F, die mich – würde ich es drauf anlegen – so schnell wie noch nie auf die Passhöhe bringen könnte.
Noch immer, bei jeder einzelnen Fahrt, zeigt mir das Stilfserjoch etwas Neues, erzählt mir von seiner 200jährigen Geschichte, fasziniert mich. Es ließ mich gewähren – ich bin tausende Male hochgefahren, aber nie gefallen. Und es gibt hier auf MotorProsa nicht ohne Grund jede Menge Geschichten rund um die magischen Kehren des Stilfserjochs.
Portraitiert in MOTORRAD 5/2020 | Inside Stilfser Joch: Vor neun, nach vier
Und dann
waren da noch …
Umbrailpass • Flüelapass • Gampenpass • Ötztaler Gletscherstraße • Penserjoch • Staller Sattel • Timmelsjoch • Passo Campolongo • Passo San Pellegrino • Passo San Boldo • Col de la Machine • Malbun • Karerpass • Mendelpass • Lukmanierpass • Col de la Bonette • Jaufenpass • Passo Manghen • Berninapass • Passo San Marco • Nufenenpass • Julierpass • Passo dell’Aprica • Nigerpass • Col du Glandon • Großglockner • Pragelpass • Passo Tonale • Col de Larche • Katschberghöhe • Grödner Joch • Oberalppass • Brezer Joch • Col du Galibier • Norbertshöhe • Col du Mont-Cenis • Arlbergpass • Pordoijoch • Splügenpass • Sellajoch • Col de la Lombarde • Piller Höhe • Würzjoch • Passo Fedaia • Reschenpass • Col du Lautaret • Nockalmstraße • Col de Vars • Forcola di Livigno • Col de Montgenèvre • Panoramastraße Oberaar • San-Bernardino-Pass • Passo Giau • Malojapass • Klausenpass • Großer Sankt Bernhard • Col de la Forclaz • Monte Grappa • Passo Valparola • Passo Rolle • Col du Petit Saint-Bernard • Panoramica Zegna • Gotthardpass • Passo Falzarego • Campo Carlo Magno • Pian delle Fugazze • Col de l’Isèran • Gorges de la Bourne • Col d’Allos u.v.m.
Dankeschöns
& High Fives
Auch 2024 hätte sich ohne meine Partner nicht so einfach fahren lassen. Daher erhebe ich zum Dank mein Vorderrad für
- Moppetfoto.de
Es ist mir vor Deiner Linse immer eine ganz besondere Gaudi - Zero Motorcycles Europe
Für die Bereitstellung von Test-Motorrädern - Die Wortwerkstatt
Für die Organisation und Bereitstellung von Test-Motorrädern - Motorpresse Stuttgart | MOTORRAD
Dank Euch erlebe ich so viele Alpenpässe nochmal ganz neu - MoHo Motorradhotels
Ihr wisst, was Motorradfahrer wünschen – und brauchen - Rukka Motorsport
Immer gut angezogen – und vor allen Widrigkeiten des Wetters bestens geschützt - Nolan Deutschland
Für Eure erstklassigen Helme - SW-Motech
Für Eure genialen und durchdachten Gepäcklösungen - RideLink
Dank Euch weiß ich überhaupt erst, wo ich schon überall war - Cardo Systems
Eure Produkte machen die Motorrad-Arbeit so viel einfacher - Alpengasthof Tibethütte
Für Eure stets von Herzen kommende Hilfe bei jedem Anliegen rund um das Stilfserjoch
Magst Du mir nun
Deine Top 10 nennen?
Schreib‘ sie mir gerne in die Kommentare – ich bin gespannt!
Die Top 10 von Susy (Motorrado)
Susy beeindruckt mich immer mit ihren unfassbar ausführlichen und kompletten Beiträgen. Sie hat ihre Top 10 bereits im April 2024 aufgeschrieben, das ging leider komplett ungelesen an mir vorüber. Daher – klickt Euch unbedingt rüber zu ihrem sensationellen Beitrag!
Hi Jürgen,
und wieder einmal staune ich über Deine grandiose Wort-Akrobatik, die das Lesen zum reinsten Vergnügen macht!
„Nach dem Anhalten am Abgrund für das folgende Foto war mir weder das Absteigen noch das Rangieren des Motorrads möglich“ kenne ich nur zu gut. Aber ob sich das wirklich irgendwann einmal legen wird…?
Viele der Pässe bin ich noch nicht gefahren, allen voran das „Stilfser Joch“, denn nach wie vor hadere ich mit Kehren à la „eng, rechts, steil plus Gegenverkehr“. Sollten sie irgendwann mal eine Einbahnregelung einführen, würde ich’s mir vielleicht nochmal überlegen 😉
Der Ofenpass hat’s trotz Mehrfach-Befahrung nicht in meine persönlichen Highlights geschafft: Irgendwie taugte er lediglich zum Erreichen der weiteren Ziele.
Der Ventoux hatte tatsächlich was. Allerdings tagte dort bei unserer Befahrung gerade irgendein Radfahrer-Event, das uns einen Strich durch eine genussreiche Abfahrt machte.
Der Grimsel hat definitiv Gute-Laune-Potenzial, wenngleich es oben derart nebelig und ar…kalt war, dass mein Mopped gar vor Glatteis warnte. 😉
Nichtsdestotrotz hat er es in meine Top-10 geschafft, natürlich in Verbindung mit dem Sustenpass, um das Pässekarussell zu vervollständigen.
Gaaanz weit oben steht für mich definitiv der Albulapass, denn die Abfahrt (von Ost nach West) hat mich landschaftlich vollends geflasht!
Meine weitere Top-10 verlinke ich mal unter meinem Namen.
LG
Susy
Hoi Jürgen,
Du solltest unbedingt(!) wenn Du mal in der Gegend bist, den Colle del Nivolet unter die Räder nehmen. Mehrfach…. nein, vielfach. Einfach reicht einfach nicht.
Der ist mittlerweile übrigens auch in der von Dir angesprochenen ‚Gewalttour‘ enthalten. Als Tageshighlight. 🙂
Viele Grüße und hoffentlich bis irgendwann mal wieder
Michael
Oh je, es ist sehr schwer EINEN Lieblingspass zu benennen. Etliche der von Dir beschriebenen warten noch auf meinen Besuch. Der Stelvio gehört aber definitiv in meine Top 10, sogar ganz weit vorn trotz aller Unkenrufe. Man muss sich halt früh genug auf den Weg machen und spät wieder runterfahren, dann hat man die Straße weitgehend für sich.
Die Tibethütte mit ihrer freundlichen Bewirtung und erstklassigen Lage ist daran nicht ganz unschuldig. Im Juli ist es wieder so weit. 🙂
Wir sind doch alle Geniesser – sich auf einen Pass beschränken, das schaffen wir nicht. Das Stilfserjoch ist natürlich ein besonderer Fall – man liebt es, oder man hasst es. Die Reaktionen auf meinen Text sind ja eindeutig 😉
Meld Dich, spätestens im Juli!
Das mach ich gern, allerdings schon im Juni, hab mich vertan. Dann stehen wieder vier Wochen Bus + Moped auf dem Plan, dann auch wieder, wenn’s irgendwie geht, das Stilfserjoch. 🙂
Sehr schöne Reportage !
Aber ich bin ja eher Frankophil und daher nicht in den Dolos unterwegs.
Auch die Pässe in Süditalien oder Andalusien werden gerne gefahren.
Grüssle
Jojo
Die Pässe Frankreichs sind zauberhaft, da stimme ich Dir auf jeden Fall zu. Ich sollte viel öfter dort unterwegs sein ..
Danke für Deinen Kommentar, und viele Grüsse!!
Hoi Jürgen,
ich bin stets aufs neue fasziniert von den Bildern, die deine Worte in meinem Kopf hervorzaubern können.
Ich kann sie förmlich sehen, die Lichtern des Veltlins auf dem Weg hoch zum Belvedere Mountain Experience am Mortirolo, auch einer meiner absoluten Lieblingspässe. Die Erschütterungen des behauenen Granits auf der Tremola kann ich ebenso spüren wie den Reiz sie mit dem Fahrrad zu bezwingen, der jetzt schon meine Muskeln zittern lässt =))
Den wundervollen Gavia kenn ich leider nur asphaltiert, aber durch deine Worte, konnte ich ihn jetzt auch unbefestigt erleben. Ich spüre die Eiseskälte nicht nur in den Fingern, meine beiden Füße suchen verzweifelt Halt auf dem Boden und in jeder Hinsicht benebelt, kämpfe ich mich durch den Schnee .. mein Schweinehund jault mir die Ohren voll.
Der Albula, der erste Schweizer Pass, der meine Begeisterung zu wecken wusste, zieht wie die Rhätische Bahn vor meinem geistigen Auge vorbei. Die rund geschliffenen, rosa-grünen Felsen der Grimsel kann ich förmlich mit den Händen erspüren, während sich über dem Totesee die Sonne ihren Weg bahnt und die ganze Szenerie in ein unglaubliche Licht hüllt .. che Mondo meraviglioso
Am Izoard, der bei mir definitiv in den ersten Rängen der Franzosen zu finden ist, erliege ich den feinstens fahrbare Kehren, kann ihn sogar riechen den Espresso am Refuge Napoléon und wie jedesmal steht mein Mund beim Anblick der Casse Déserte vor Staunen offen..
Deine Worte zum Mont Ventoux zaubern ein Bild in mir hervor, dass ihn für 2025 definitiv ganz nach oben auf meine Da-will-ich-mal-hin-Liste katapultiert. Die flüssig fahrbaren Kurven des Fuorn, lassen meine Gracia vor Freude hüpfen und bei mir kriecht augenblicklich das schlechte Schweiz-Gewissen den Rücken hoch & so bevorzuge ich dort dann eher das Zucken in den Füssen, den wundervollen Nationalpark ohne schlechtes Gewissen zu Fuss zu erkunden.
Der Susten, im Abendlicht mit den letzten Sonnenstrahlen, die sich über die Bergspitzen mogeln und die Landschaft verzaubern, mit den unzähligen grandiosen Panoramen wie den Blick zum Steinsee & einem ganz besonderen Ort mit ganz besonderen Menschen hat den Albula in 2024 für mich definitiv von Platz 1 der Schweizer Pässe verdrängt. Danke dafür
..und nun zu deinem Joch .. hm .. zu oft bin ich es wohl gleichzeitig mit zu vielen anderen gefahren und habe unzählige Angstschweisstropfen v.a. in den Rechtskehren bergauf dort gelassen .. die Herausforderungen deiner Anfänge dort halten sich bei mir leider wacker seit Jahren .. für einen Platz auf meiner Favoritenliste spricht für den Stelvio bislang einzig und allein die Tibethütte, die Sonnenaufgänge und Wanderungen dort oben 😉
Also 9 von 10 deiner Favorites sind auch bei mir auf der Liste .. definitiv auch zu finden sind dort noch das Würzjoch, Passo Giau, Fugazze, Brezer Joch, der Col de l’Espigoulier, die Route des Crêtes in den Calanques (nicht wirklich ein Pass aber es geht immerhin hoch und runter), der Col d’Allos, des Champs & Cayolle (gefahren in dieser Reihenfolge), Col d’Agnes, Colle di Sampeyre und viele mehr..
Liebe steph,
Vielen herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr darüber. Und: Kein Wunder, dass wir uns so gut verstehen!
Ich hoffe auf viele gemeinsam gefahrene Pässe in 2025!
Danke für deine 10 Favoriten. Ja auch ich bin der Ansicht, dass deren 10 nicht austeichen. Anstelle des Gavia würde ich den Julier oder den Flüela vorziehen, obwohl ich den Gavia viele Male gefahren bin. Aber im Alter von 75 Jahren wenn auch über 50 Jahre Motorraderfahrung und beruflich Motorradfahrlehrer und Touroperater für 34x Sardinien und 15x Korsika, über 20x Dolomiten, einige Male Sizilien, Apulien, Kalabrien sowie das übrige Italien, dann Kroatien, Slowenien uvm., ist mir der Gavia langsam zu schwer mit meiner Yamaha FJR1300! Die von Alexander passen natürlich auch sehr gut. Von uns aus in Graubünden über das Tirol, die Dolomiten, das Südtirol usw. gibts ja nur schöne Pässe. Wir leben ja in einem Motorradparadies!
Dankeschön für Deinen Kommentar!
Das kann ich gut nachvollziehen – irgendwann sind die engen Dinger wie der Gavia einfach nicht mehr angenehm. Der eigene Fahrstil ändert sich ja auch unter Umständen. Flüela und Julier sind natürlich auch extrem schöne Pässe; ich mag den Julier besonders ab Tiefencastel.
Viele Grüsse und allzeit gute Fahrt!
Hört sich nach einem erfüllten Motorrad-Leben an, Respekt
Hach, vielen Dank für dieses Kopfkino, Jürgen. Einige Deiner Pässe habe ich auch in meinen Top 10, unter anderem Susten, Grimsel, Furka, Tremola. In den Fuorn habe ich mich auf einer S1000RR verliebt. Den Izoard würde ich auch mit auf die Liste neben, aber auch den Galibier und den Col de la Bonette. Letzterer war für mich der Höhepunkt unserer Tour des Grandes Alpes und der Moment, als ich im Abendlicht mit meinem bestem Kumpel und Roadbuddy den Ausblick genoss hat sich auf Ewig in mein Hirn eingebrannt.
Um die letzten beiden Plätzen in meinen Top 10 müssen sich dann mehrere Pässe balgen, der Falzarego, der Vrsic, die Sella Ronda oder auch der Maniva-Pass.
Danke Dir, Alex, für Deinen Kommentar!
Tja, beim Schreiben hatte ich ziemlich schnell das Gefühl, dass zehn Favoriten nicht reichen werden. Galibier und Bonette müssten auf jeden Fall auch auf die Liste.
Eventuell muss ich das Ding erweitern, in Richtung „Meine Top 10 Alpenpässe in Italien“, „Meine Top 10 Alpenpässe in Frankreich“ usw.