Mit der Harley zum Lago di Tenno – Tag 1

MotorProsa Motorradblog: Mit der Harley  zum Lago di Tenno (Header)
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Wohin wollen wir bei den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings fahren? Na klar, in den Süden! Unterwegs zum Lago di Tenno – der Gardasee liegt in Steinwurf-Nähe, ist aber weit genug entfernt, um ohne Hektik und Turbo-Tourismus für ein paar Tage ausspannen zu können. Also, kommt mit!

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Womit fahren wir? Eigentlich ist die Antwort einfach: Hinten in der Garage steht die Zero SR/F. Elektrisch, um die 110 PS stark und 200 km/h schnell, so ich denn die Muse dazu hätte. Eine buchstäblich elektrisierende Maschine, aber für diese Tour nicht das ideale Gerät. Zu klein, zu kurz, wenig Platz für Gepäck. Daneben parkt die Ducati 748s. Nicht ganz so stark, aber schneller – ein spitzer Pfeil für die Jagd im Straßendschungel. Brüllt herzerweichend und präpotent aus ihrem knappen, roten Kleid. Aber damit mag man eher nicht zu zweit in den Süden fahren. Nicht mehr in meinem Alter. Und kann man auch nicht, weil – ist ein MonoPosto.

Deswegen ist die Antwort ganz einfach: Wir fahren mit dem Road King. Wohlwollend geschätzt leistet sein riesiger Motor 80 PS. Er beschleunigt das ganze Fahrgeschäft mit etwas Dynamik auf maximal 190 km/h – sind halt Dynamik-Daten eines 20 Jahre alten Familienautos. Dazu kommt ein Leergewicht von 380 kg. Aber darum geht’s nicht, der King hat andere, königliche Qualitäten: Er gleitet souverän dahin, bietet jede Menge Platz für Passagiere und Gepäck, schiebt cremig aus niedrigsten Drehzahlen an. Und: Hinter dem breiten Lenker mit seinem Scheinwerfer-Chromgebirge umarme ich die ganze Welt.

Optimal für die Fahrt zum Lago di Tenno: der Road King von Harley-Davidson

Das Motorrad der Wahl: der Road King von Harley-Davidson

Wir wollen also für drei Tage nach Tenno, in ein altes Dorf auf einer Felskante unweit des Gardasees. In der Hecktasche finden sich deshalb Kleider, Handtücher und Zeug für ca. eineinhalb Wochen; alles so gepackt, dass die Spanngurte zu kurz werden. In den seitlichen Koffern liegen Foto-Ausrüstung, Geld- und Kulturbeutel, Reifen-Pannenset und der Rest, der wegen zu kurzer Spanngurte in der Hecktasche keinen Platz mehr fand.

Bordwerkzeug gibt es keines. Das sollte noch von Bedeutung werden. Das Batterieladegerät leuchtet grün – auch das sollte noch wichtig werden. Zwei Stunden später als geplant, aber immerhin zwei Stunden vor der geplanten Ankunft, starten wir unseren Kurztrip in den Süden.

Kaum ist der Motor warmgefahren, stehe ich ab Schlanders, nach immerhin schon zehn Kilometern, im Stau. Zeit genug für Petra, die beste Sitzposition auf dem King zu finden. Der mitunter größte Vorteil eines Motorrads, das Wuseln durch Staus auf der Mittellinie, ist mir auf dem Road King verwehrt – seine Dimensionen sind zu raumgreifend, sein Handling zu behäbig. Und sein Lenker zu breit … Sei’s drum, wir haben Urlaub,

wir
haben Zeit.

Der Vinschgau ist verkehrstechnisch eine Qual. Immer, egal, zu welcher Tageszeit. Das dumpfe Bollern des Kings schiebt uns nur langsam in Richtung Meran, Lana und Gampenpass. Dort, auf dieser unfassbar schönen Strecke, lichtet sich zwar das Chaos auf der Straße umgehend, aber wir müssen durch dichten Nebel.


Zwischenstopp auf dem Weg zum Gampenpass

Uns führt der Weg über schattige und waldgesäumte Kilometer in die Höhe. Es fühlt sich immer wieder lässig an, eine halbe Tonne an Zweirad-Reisegesellschaft durch die gleichmäßigen Kurven des Gampenpasses zu schwingen, und es ist nicht schade, auf der Passhöhe mangels Parkplatz nicht anhalten zu können. Das holen wir kurz vor Fondo nach, denn mein Helm bzw. eine Naht meiner Sturmhaube drückt schmerzhaft in die Stirn. Wieder mal …

Straße gesperrt.
 Echt jetzt?

Aus der Pause im Wald wird eine Lasagne-Mittagspause auf dem Mendelpass. Es ist erstaunlich, dass die Portionen dort oben, im Lieblings-Restaurant, von Jahr zu Jahr größer werden, und es ist verwunderlich, dass alle, ich wiederhole, ALLE von Fondo kommenden Motorradfahrer das „Straße gesperrt“-Schild auf der Passhöhe missachten – um nach zwei Minuten wieder an uns vorbei fahren. Denn die Straße nach Kaltern ist, man glaubt es kaum: gesperrt.

Mehr als satt – eigentlich eher vollgefressen – setzen wir unseren Ausflug fort, schwingen den wunderbaren Mendelpass hinunter nach Fondo. Die Harley trägt uns entschleunigend durch das Nonstal, das uns ein vollkommen anderes Ambiente als der heimische Vinschgau zeigt: weiter, breiter, weniger schroffe Berge. Zwar finden sich auch hier riesige Apfelplantagen, was aus der Landschaft schnell Industrie werden lässt, aber allein der typisch italienische Baustil reicht, dass uns schon hier Urlaubsfeeling überkommt. Das Navi findet (für mich) spaßige Kehren, routet uns nach Spormaggiore hinauf, nach Andalo hinüber und schließlich den Molveno-See entlang.

Die Straßen werden verlassener, die Häuser steiniger und die Gärten größer. Ganz schön schön hier – unsere Blicke streifen fasziniert über die uns bisher unbekannte Gegend.

Blick über den Molveno-See

Blick über den Molveno-See

Wir überqueren schließlich den Passo Ballino – interessanterweise ein Pass ohne Serpentinen – und erblicken dann, zwischen Bäumen versteckt, den smaragdgrünen Tenno-See. Unser Hotel ist dem Navi allerdings unbekannt, denn dort, wo es laut digitaler Landkarte stehen sollte, gähnt ein steiler Schlund ohne Wendemöglichkeit. Ich vermeide es im letzten Moment, den wenig leichtfüßigen King da hinab zu steuern und am Grund des Abgrunds ohne Chance auf Rettung zugrunde zu gehen.

Angekommen
 in Tenno

Hätte ich mal vorher die Hotelbeschreibung gelesen – das wirklich sehr empfehlenswerte Hotel „Antica Croce“ liegt direkt gegenüber vom weithin sichtbaren Castello. Die Besitzer begrüßen uns freundlich, geben uns ein komfortables, geräumiges Zimmer mit Blick auf das Schloss, lassen das Motorrad kostenlos in die kühle Garage und verwöhnen uns am Abend mit leckersten Gerichten aus ihrer Küche. Carne salada – nie zuvor davon gehört, aber nach dem ersten Bissen sind wir beide darin verliebt.

Tenno klebt am Fels wie ein Schwalbennest, wird von der von Riva kommenden Straße mit Serpentinen durchschnitten und ist vom großen See aus nicht zu sehen. Uns war es bis eben unbekannt, umso mehr Eindrücke nehmen wir beim abendlichen Spaziergang durch die engen Gassen mit. Ob die Dörfer des Südens absichtlich so eng gebaut wurden, um untertags in den Häuserschluchten Kühle zu finden – wer weiß? Und ob man dabei die typisch italienische Lebenslust mit eingebaut hat? Denn in jeder Ecke gibt es Lustiges, Interessantes und Einzigartiges zu entdecken.

Eindrücke
aus Tenno

Wir lassen diesen ersten Tag auf einer Aussichtsplattform unweit des Schlosses, hoch oben über dem hell erleuchteten Riva, ausklingen. Ungestört vom Turbo-Tourismus an den Gardasee-Ufern, fernab von den flackernden Disco-Lichtern von Torbole scheinen im Borgo unterhalb des Schlosses nur schwach gelbe Lampen. Der Blick auf das Gewimmel im Tal lässt uns komplett zur Ruhe kommen. Es fühlt sich gut an, und wir freuen uns auf den nächsten Tag …


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