Zieh Dich an in Pakistan – Lederkombi nach Maß

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Ich wurde auf Instagram kalt angeschrieben. Normalerweise reagiere ich nie darauf, aber diese Anfrage war anders, und schnell war mir klar: DAS könnte interessant werden. Ein Erlebnisbericht: Kauf einer maßgeschneiderten Lederkombi im Wunschdesign – aus Pakistan.

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Wer kennt sie nicht, die dubiosen Angebote im Posteingang: Potenzmittel für alles und jeden, Investments mit astronomischen Renditen, drei Millionen Likes auf Facebook für fünf Dollar, noch mehr Millionen von Prinzen aus Nigeria. Ich lösche und blockiere konsequent.

Auch Eshal Wasim hat mir unaufgefordert geschrieben, aber er hat den richtigen Knopf gedrückt. Seine Reaktion auf einen meiner Instagram-Posts klang interessant, also antwortete ich. Nach ein paar freundlichen Worten kam er gleich zur Sache und bot mir eine „hochwertige, maßgeschneiderte Lederkombi im Wunschdesign“ an. Zu einem sensationellen Preis und versandkostenfrei.

Die Verkaufsstände in den Slums der Motorradmessen sind mir gut bekannt: Miserable Verarbeitung, Schnitte für Vogelscheuchen, schon ungetragen offene Nähte und Pappe als Protektoren. Wenn überhaupt. Meine Zweifel zerstreute Eshal mit sehr guten Bewertungen aus allen möglichen Ländern. Dazu schickte er die üblichen InfluenzerInnen-Fotos – und die Mädels machten wirklich alle eine klasse Figur (*Macho-Modus wieder aus*). Schräge Kollegen drückten das Leder hart in Rennstrecken-Curbs. Das mache ich zwar nicht mehr, aber hey – der Asphalt auf Alpenpässen ist auch gefährlich, von daher.

Ich zögerte dennoch, denn: Wer billig kauft, kauft zweimal. Und auch wenn der Preis in die Kategorie Spielgeld fällt – doppelt ausgegeben schmerzt es dann doch. Aber als ich im Futter meiner aktuellen Textilkombis „Made in Indonesia“ las, zog ich die Instagram-Konversation nochmal hervor. Als hätte es noch eines weiteren Arguments bedurft: Meine Ducati-Lederkombi wurde leider an ungünstiger Stelle etwas eng.

Leider etwas eng geworden: mein edles Ducati-Leder

Etwas eng geworden – mein Dainese-Einteiler

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe den Auftrag erteilt. Warum auch nicht? Im besten Fall gibt es gut passendes Leder, anderenfalls bleibt es bei diesem – dann teuren – Erfahrungsbericht.

Design

In meiner Vorstellung von einer schönen Motorradkombi ist schwarz NICHT die einzig mögliche Farbe. Meine Held AeroSec Textilkombi kommt dem Ideal schon sehr nahe, deshalb habe ich ein Bild davon nach Pakistan geschickt. Mit dem Wunsch nach mehr Weiß, mehr Rot und weniger Schwarz.


Magie am Furkapass

Foto: www.moppetfoto.de

Außerdem wollte ich als Grenzgänger im Dreiländereck Italien, Schweiz und Österreich Patriotismus zeigen. Also bat ich um das Anbringen der Tricolore. Es dauerte keine zwei Stunden, dann kam der erste Designvorschlag per Mail – und gefiel auf Anhieb:

MotorProsa Blog-Post: Zieh Dich an in Pakistan - 2

Der erste Designvorschlag von Meracious Sports

Dieser erzählte nichts von billig: ich erkannte ergonomisch vorgeformte Arme und Beine, einen Aero-Höcker, wichtige Schleifer allerorten und Stretch-Material in Massen. Ich erkannte auch arg viele Hersteller-Schriftzüge, aber bei dem aufgerufenen Preis fand ich etwas Werbung zum Spazierenfahren vollkommen OK. Also: keine Änderungswünsche.

Maß
 nehmen

Das Leder sollte maßgeschneidert sein – mit „einmal Größe 54“ war es also nicht getan. Auf 30 Jahre Motorradfahren rückblickend, fielen mir Klamotten ein, die am Bauch zu weit (ja, unvorstellbar), an den Beinen zu kurz, an der Brust zu lang waren. Die im Wind flatterten, deren Reißverschlüsse in die Haut drückten. Zweiteiler, die sich nicht korrekt verbinden ließen, kombiniert mit schmerzhaft einengenden Protektoren.

All das wurde mir bewusst, als ich die Tabelle mit über 20 verschiedenen Maßen vor mir liegen hatte. Ein gutes Stück Arbeit.


Irre, was man am eigenen Götterkörper alles messen kann …

Produktion
 und Lieferung

Produktionszeiten und Lieferfristen habe ich nicht thematisiert, der Vinschgauer Winter hätte dazu auch keinen Anlass gegeben. Bei diesen Temperaturen – ja, nennt mich ruhig Warmduscher – hätte ich das Leder höchstens vor dem Fernseher getragen. Doch schon am 27. Dezember klingelte es in meinem Posteingang: Es gibt Bilder.

DAS hat mir gut gefallen!

Warten
 auf das Leder

Nun ging die Zeit ins Land. Nach vierzehn Tagen fragte ich erstmals nach dem Versandstatus. „It’s on the way to Italy.“ Zwei weitere Wochen vergingen. „There was a problem with DPD in Germany. We take back delivery. We forward to Netherlands“. Ah ja. Ein weiteres Update: Verzögerung durch Wechsel des Versanddienstleisters. Ich begann, mich von meinem Spielgeld zu verabschieden.

Erneut nach zwei Wochen: „It’s in custom.“ Das Paket lag offenbar sehr gut dort – über eine Woche lang. Schließlich bekam ich eine Tracking-Nummer – die aber nicht funktionierte. Ich las was von Belfast (UK) mit einem schon längst vergangenem Datum und ohne Statusänderung.

Eine wahre Odyssee: Von Pakistan nach Deutschland, in die Niederlande, von dort nach Irland, wieder zurück in die Niederlande, und endlich: Bologna, schließlich Verona. Mein neues Leder ist in den ersten Wochen des Jahres 2023 schon weiter gereist als ich in den letzten zwei Jahren. Nicht schlecht. Meracious Sports entschuldigte sich mehrmals bei mir, informierte mich ausführlich und schnell und war erkennbar peinlich berührt. Für mich war alles gut – ich hätte keine Zeit zum Fahren gehabt.

Nach einem erfolglosen Zustellversuch – angeblich war ich nicht zu Hause – nahm ich das Paket nach fast zwei Monaten Versand gespannt entgegen.

Übrigens: Ich hätte die Option „Urgent Suit Delivery“ wählen können. Dann hätte die Herstellung der Kombi drei Arbeitstage benötigt und die Lieferung nach Italien mit Fedex vier bis fünf Arbeitstage gedauert.

Die erste
Ausfahrt

Das muss ich natürlich gleich ausprobieren. Geruch und Anfassqualität des Leders sind vielversprechend, ich finde nach einigen Dehnübungen und der korrekten Positionierung der Hüftprotektoren gemütlich Platz. Die Unterarme sind allerdings knapp geschnitten, das wird mich zum Armpump-Kandidaten machen. Überraschung: Es gibt keine Innentasche, und das Innenfutter raschelt wie billiges Verpackungsmaterial. Aufrecht stehen ist sehr gut möglich, auch wenn sich Schienbein- und Knieschützer in die Quere kommen und die Beine auf den ersten Blick zu lang sind. Im Sattel meiner Ducati passt der Schnitt allerdings perfekt.

Die Verarbeitungsqualität ist in einigen wenigen Details nicht ganz erstklassig, etwa an Teilen des (herausnehmbaren und waschbaren) Innenfutters, wo etwas hektisch und schräg geschnitten wurde. An krummen Nähten, z. B. am Klett der Arm-Abschlüsse, erkennt man die Arbeit eines offensichtlich Kurzsichtigen. Die wichtig aussehenden Metallplatten an den Knieprotektoren werden nicht lange unzerkratzt bleiben – einmal beim Fotografieren auf die Knie gehen, und sie sind Geschichte. Ob die Sicherung des Front-Zippers den Sommer überleben wird, bezweifle ich. Aber das ist alles nicht weiter schlimm, denn dort, wo es zählt, passt die Qualität: die Nähte sind mehrheitlich dreifach ausgeführt, die Protektoren sitzen satt, nichts drückt und kratzt, in Fahrt ist das Leder unauffällig.

Unterwegs mit der neuen Lederkombi von Meracious Sports
Igor und sein Höcker. Unterwegs mit der neuen Lederkombi von Meracious Sports.

Im Rennleder sieht man einfach immer ein bisschen lustig aus …

Das passt alles sehr gut. Unterwegs mit der neuen Lederkombi von Meracious Sports.

Ich meine, das Experiment ist geglückt

Mein
Fazit

Noch fühle ich mich ein wenig wie ein Cyborg, wegen des MotoGP-Höckers und den dicken Protektoren an Unterarmen und Schultern, die abseits des Motorrads einen buckeligen Igor aus mir machen. Schleifer an den Ellebogen sowie die vielen Schriftzüge sind etwas exaltiert, aber wohl State of the Art. Nach den ersten 100 Kilometern bin ich überzeugt – das Leistung-Preis-Verhältnis ist unschlagbar. Mit diesem Leder werde ich viel Spaß haben.

Die lange Lieferzeit dem Hersteller anzulasten, wäre unfair. Bei dringendem Bedarf an frischem Leder wäre das Projekt allerdings gescheitert. Da ich außerhalb der Saison gekauft habe, ist für mich alles in Ordnung. Daher: Spielgeld gut eingesetzt, spektakulärer Selbstversuch geglückt, und ich kann ruhigen Gewissens eine Empfehlung aussprechen.

Wichtiger Hinweis dazu: Mit „Urgent Suit Delivery“ hätte die Herstellung der Kombi drei Arbeitstage und die Lieferung nach Italien mit Fedex vier bis fünf Arbeitstage gedauert.

Kontakt
 zu Meracious Sports

Meracious Sports hat mich zwar über Instagram kontaktiert, ist aber auch via E-Mail bzw. über www.meracioussports.com (Webseite noch im Aufbau) zu erreichen.


Der Ordnung halber: Dieser BlogPost wurde finanziell unterstützt; ich habe nicht den ursprünglich aufgerufenen Preis bezahlt. Die Versandkosten und den Kampf mit den Paketdiensten hat der Hersteller bestritten.


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Bestens dazu passend:

5 Gedanken zu „Zieh Dich an in Pakistan – Lederkombi nach Maß“

  1. »Am Bauch zu weit«… Von so was träume ich… Aber ich versuche es als Motivator zu sehen mehr Sport zu machen. Leider ist der Leder-Textil-Mix-Zweiteiler auch bequem… 😀

    Was definitiv stimmt: nur maßgeschneidert passt auch so. Aktuell passt mir (wieder) was IXS so herstellt (bzw. vor so 15-20 Jahren hergestellt hat), die sind am Bauch etwas weiter. *räusper* 😀

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  2. Schade, dass sich auf der genannten Homepage so gar keine Info finden lässt – oder ist die temporär down? Kann fast nicht sein, denn es findet sich allenthalben Lorem ipsum- Blindtext…
    Was wäre denn der offizielle Preis gewesen für so eine Kombi?

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    • Hallo Heiner,
      die Website von Meracious Sports ist offenbar noch im Aufbau. Melde Dich doch bitte per Mail bei ihnen.
      Viele Grüsse,
      Jürgen

      Antworten
  3. Coole Story! Obwohl ich ja gesehen habe, dass Du den Anzug bereits trägst, war es dennoch spannend zu lesen, ob und wann er denn endlich ankommt. Viel Freude mit dem schicken Leder!

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