Die Geschichte meiner Ducati 748s beginnt mit dem Ende der Geschichte meiner Triumph Daytona 955i – zynische Menschen sehen darin eine Verzweiflungstat. Aber: Schlimmer als mit der Triumph geht nimmer ..
Vom Regen
in die Traufe?
Der Ducati-Dealer nimmt als Einziger die rote und marode (sic!) Daytona in Zahlung. Die Triumph muss einfach nur weg, auch wenn zynische Menschen vor einer Regenfahrt in die Traufe warnen. Ich unterschreibe den Kaufvertrag für die Ducati im März 2000 – die Auslieferung meiner neuen Traum-Maschine verzögert sich allerdings unendlich, und ich gehe unendlich lange zu Fuß. So lange, dass ich wegen des vielen gesparten Benzingelds die Bestellung ändern kann: es soll keine normale 748 mehr sein, sondern die feine Variante werden – die mit dem kleinen „s“ im Namen, mit leichten Fünfspeichen-Felgen, mit Schnellverschlüssen an der Verkleidung, mit verstellbarem Lenkkopf, mit mächtiger 996-Bremse, mit edlen Federelementen.
Es dauert tatsächlich bis Ende Juli, um endlich den erlösenden Anruf vom Ducati-Händler zu erhalten. Um endlich sämtliche Motorrad-Zeitschriften, Ducati-Prospekte, Plakate und Internet-Ausdrucke beiseite schieben und das Kunstwerk aus Borgo Panigale in Echt betrachten zu können:
Kunstwerk
aus Borgo Panigale
Vor mir steht sie, klein, schmal. Goldfarbig eloxierte Inbus-Schrauben, überall. Silber glänzende Schriftzüge auf tiefem, roten Lack. Ganz edel. Fette Pirelli Corsas auf den Felgen. Doppelt verschraubte Alustummel, gefräste Gabelbrücke. Verstellbare Handhebel. Kunstvolle Fussrasten. Eine Skulptur als Tank. Kein roter Bereich im Drehzahl-Messer, aber in meinem Herzen. Schön ..
Der Schlüssel hängt an einem roten Lederanhänger – alleine das ist herrlich italienisch wahnsinnig. Rein damit ins Schloss und rum. Irgendwo in der Maschine erwacht etwas Unerhörtes, beim Druck auf den Startknopf dann der Schock: Es klappert, rasselt, scheppert, fistelt und nestelt, wie schwere Hammerschläge auf filigranem Metall – und das alles, ohne überhaupt am Gas gedreht zu haben ..
Ich falte mich auf die Sitzbank und bringe die Maschine auf Asphalt. Gott – ist dieses Motorrad klein! Die Triumph Daytona, damals ein ernst zu nehmendes Sportmotorrad und die Speerspitze der englischen Motorradbaus, ist dagegen ein fettes Schlachtschiff. Mit so einer schmalen Taille, so einer eng geschnittenen Verkleidung und so einem tiefen Lenker habe ich niemals gerechnet. Krass!
Nach nur wenigen Kilometern bin ich gefangen und verloren. Das Rasseln und Scheppern ist doch schon immer genau das, was mich an den roten Reinrassigen fasziniert. Und nun ist eine der Desmos mein – genial. Ich lasse das Motorrad um die Kurven schwingen, als wäre ich nie etwas Anderes gefahren, der Angststreifen an den Reifen überlebt schon die Fahrt nach Hause nicht.
Die Ducati 748
wird mein liebster Begleiter
Sie bringt mich nach Bamberg. Einmal, zweimal, immer wieder. Wird dort in einer dunklen sonnendurchfluteten Stunde von einem Auto zu Fall gebracht – während sie harmlos und friedlich auf dem Seitenständer steht. Daran reift sie, bekommt Patina. Sie bringt mich an den Gardasee, fühlt sich dort unheimlich wohl, geht böse in die Kurven, mit Sozia und vollgepackt. Einmal, zweimal, immer wieder bringt sie mich nach Salzburg – auf den Salzburgring und zu guten Freunden. Während ich auf der Maschine erfriere, läuft der V2 einwandfrei, ohne Ruckeln, ohne Aussetzer, ist mit 5 Litern Benzin zufrieden, lässt die klebrigen Corsas auf den Felgen unglaubliche 8.000 km lang leben.
Technisches
Ducati 748s, Biposto
Baujahr 2000
748 cc Hubraum, 98 PS
Trockenkupplung
6-Gang-Getriebe
ca. 250 km/h Top-Speed
Gewicht: 202 kg
Laufleistung (Juli 2024): 96.000 km
Sie läuft fehlerlos, auch wenn in meinen Stiefeln das Wasser steht. Bringt mich ins Elsass auf den Rheinring, zeigt mir dort ihr Rennstrecken-Potential und wie unendlich weit ich davon entfernt bin. Sie bringt mich in die Pfalz, zum Motorradwandern at its best, durch verwinkelte Sträßchen, auf denen der Schlamm knöcheltief über den Weg läuft. Bringt mich mit Sozia bis nach Dänemark – durch Regen, Stau, Hitze, Stop and Go. Verzeiht den zweiten Umwerfer auf der Autobahn-Tankstelle. Sieht Kassel bei Nacht, den Harz, Hamburg, die Elbe, Flensburg, Bremen, das Ruhrgebiet, den Feldberg, spult unbeeindruckt über 3.000 km in einer Woche ab und erzählt mir erst in der intimen Stunde, dass sie verletzt ist: Eine Batteriezelle lief aus, dennoch startet der V2 ohne Anzeichen von Strommangel.
Sie fordert. Will alle 10.000 km neue Bremsscheiben, weil diese den Biss der Zangen nicht aushalten und sich verziehen. Alle 10.000 km will sie zur Kur in die Werkstatt – kommt dann zwar gepflegt, erholt und frisch wieder zurück, reißt dafür aber arge Löcher in’s Budget. Sie fordert, aber sie gibt auch viel zurück – sie schiebt die Jungs mit den starken, bunten Literbikes die Pässe hoch, frustriert Landstraßenhelden beim Fliegen durch die Wälder, ist ein Erlebnis für Ohr und Auge, wird zum Pendler zwischen Vinschgauer und Pfälzer Wald, mutiert dabei zum Supertourer. In der Fränkischen Schweiz brüllt sie durch die Täler, rasselt um Kalkfelsen, taucht in tiefste Schräglagen.
Sie wird missbraucht. Wird mit Enduro-Stiefeln gefahren. Wird durch Schlamm und Geröll geschunden. Bringt vom Umbrail-Pass kiloweise Sand und Lehm mit und blickt verärgert auf die Supermoto-KTM, die noch nie so dreckig war.
Sie will leben. Steht einen mörderischen Highsider in den Dolomiten, driftet dabei ärger, als es die KTM je getan hat. Sie stellt sich bei der Notbremsung aus über 200 km/h auf der Laaser Geraden auf das Vorderrad, ewig lange, landet völlig unbeeindruckt. Sie hat keinen einzigen mechanischen Ausfall oder Defekt, keine Birne brennt durch, keine Schraube fällt ab, kein Tropfen Öl sucht einen neuen Weg ins Freie, auch wenn sie ohne Rücksicht auf Verluste geprügelt wird.
Sie steht unten in der Sonne. Blinzelt mit den schmalen Augen zu mir hoch, streckt ihr sexy Heck in den Himmel, schämt sich nicht der Kampfspuren von dilettantischer Gepäckbestigung oder der Kratzer im Tank vom körperbetonten Fahren, schämt sich nicht des abgeplatzten Lacks an Felgen und Verkleidung.
Die Entscheidung, von einer Triumph auf eine Ducati umzusteigen, scheint sich als Glücksgriff erwiesen zu haben. Die Geschichte hinter dem Kauf der Ducati 748s ist spannend und unterhaltsam zu lesen. Es ist schön zu sehen, wie sich deine anfängliche Ungeduld und die unendliche Wartezeit letztendlich in die Erfüllung eines Traums verwandelt haben. Viel Spaß und sichere Fahrten mit deiner Traum-Maschine!
Hey Celina,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Habe mich sehr darüber gefreut – ich werde von meinen weiteren Fahrten natürlich wieder berichten.
Alles Gute für Dich!
Buonasera Jürgen Theiner,
mein Name ist Christine Wedemeyer da Berlino. Aus dem Multistrada Forum bin ich auf Deine Webseite aufmerksam geworden. Im Büro lesend, bin ich abgedriftet nach Südtirol und in wunderbare italienische Gegenden. Ich habe viele Reiseberichte und viele Berichte, die Motorräder betreffen gelesen. Aber bei Deinen Wortkreationen stockte mir fast der Atem. Ich möchte Dir gratulieren, für die Art, Deine Leidenschaft in Worte zu fassen. Das ist Kunst. Wunderbare Schreibweise. Du und die Ducati 748 S im Schnee. Das hat mich dermassen berühert. Unbeschreiblich wunderbar. Die rote 748 S im weißen Schnee mit blauem Hintergrund. Wunderschöne Fotos machst Du. Das kann nur jemand, der sehr viel Gefühl besitzt. Hatte mich gleich zu Deinem Newsletter angemeldet. Ich fahre eine Ducati Multistrada 1260 Basic, ohne elektronischen Schnickschnack. Meine geliebte Multistrada 1200 von 2013 wurde mir im letzten Jahr in Berlin geklaut. Ich war mit ihr am Comer See gewesen. In Berlin zurück und frisch geputzt wurde sie entwendet. Ich wollte Dir nur sagen, dass ich Deine Motorprosa Seite liebe und es nicht viele Menschen gibt, die auf so wunderbare Weise das Verhältnis Mensch Motorrad beschreiben können. Die Mopeds werden bei Dir lebendig….Danke dafür
Hallo Christine!
Ich mag Dir sehr sehr gerne für Deinen Kommentar danken. Erstens ist es bei weitem der längste je auf Motorprosa eingegangene Kommentar, zweitens der herzlichste. Es freut mich sehr, dass Dir meine Geschichten und Bilder so nahe gehen, denn genau auch dafür gibt es sie!
Also – Danke Dir für Deine schöne Rückmeldung!
Herzliche Grüsse, Jürgen
Du kannst toll schreiben. Genuß der Sinne. Bin auch in das Stilfser Joch verliebt, werde dieses Jahr wiederkommen und mitm Rad die Gegend verunsichern. Campingplatz Prad.
Danke Dir, Martin!!
Mit dem Rad muss ich erst noch versuchen, auf’s Joch zu kommen. Aber das Projekt steht, für 2018.
Beste Grüsse aus dem Land der Berge!