Ausfahrt mit dem Supermodel

MotorProsa: Ausfahrt mit dem Supermodel
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Eine erlebnisreiche Motorrad-Ausfahrt mit einem Supermodel – und einer dicken Überraschung am Ende. An diese Geschichte erinnere ich mich immer wieder gerne, denn sie begann sehr aufregend. Sie blieb allerdings enttäuschend. Doch lest selbst ..

Das Symbol von MotorProsa: die Füllfeder. Motorrad-Geschichten, geschrieben mit Passion

Es war wohl im Jahr Zwei oder Drei meiner Ducati-Fahrerei. Ich hatte endlich meinen geregelten, gepflegten, unverschwitzten Bürojob. Die Arbeit als Zweiter Koch in der Küche des Gasthofs Krone, an Wochenenden und Feiertagen, war der Ausgleich dazu und diente vor allem der Finanzierung meines sehr hohen Benzin- und Reifenverbrauchs.

Ich konnte mich nach einer Schicht am Herd gemütlich in die Bar setzen, eine Portion Bier genießen, und hatte für danach meine eigenen vier Wände, in denen niemand bei nächtlichem Dusch-Verlangen ein Veto einlegte.

Das Leiden in mir wegen einer zerbrochenen, langjährigen Beziehung flaute langsam ab, passend dazu erkannte ich in meinen Mitmenschen vermehrt wieder weibliche Wesen, die mir sympatisch werden durften, ohne Erinnerungen an oder Vergleiche mit früher.

Bis hierher – aber nicht weiter ..

Bis hierher – aber nicht weiter ..

Ich war also der langhaarige Koch mit der Ducati, der morgens und nachts im einteiligen, gelochten Renn-Leder durch die Malser Gassen rasselte und wieder häufiger ein gut gelauntes Wort über die Lippen brachte. So fand ich dann eines Dienstschluss-Abends in der Bar nicht nur mein gerne gemochtes Hefe-Weizen auf dem Stammtisch stehen, sondern auch vis’a’vis eine ausnehmend hübsche, junge Frau mit einem ansteckend strahlendem Lächeln sitzen.

Eine ausnehmend
hübsche, junge Frau ..

Dem Wirt war sie wohl besser bekannt als mir – das sollte ich später noch merken – aber er mischte sich nicht in das sich langsam entwickelnde Gespräch ein. In den folgenden Tagen ergab sich daraus eine leise Bekanntschaft und schließlich eine vorsichtige Freundschaft mit immer häufigeren Besuchen der hübschen Unbekannten in der Gaststätte und regelmäßiger werdenden Augen-Blicken am Stammtisch.

Eines Abends saß ich im Lederanzug am Stammtisch, die Ducati parkte vor der Tür, als die Hübsche in die Bar trat. Wir hatten somit ein Gesprächsthema, viel konkreter diesmal als das Wetter, und über das Fahren mit dem Motorrad konnte und kann ich viel, oft und leidenschaftlich reden.

Wieviel Zeit verging, kann ich nicht mehr sagen. Ihr aufmerksames Zuhören, ihre spürbare Begeisterung für das dynamische Leben auf zwei Rädern, ihre Bemerkungen, Fragen und Erwartungen verkürzten den Abend jedenfalls dramatisch, und wir verabredeten uns – für unser erstes Mal.

Ich warf noch in der selben Nacht meinen Lederanzug zur Lederseife in die Badewanne und reinigte ihn gründlicher als je zuvor. Ich tränkte das herausnehmbare Innenfutter in Feinwaschmittel und gab auch gleich ein paar Sturmhauben mit dazu. Zu sagen, ich wäre nicht aufgeregt oder nervös gewesen, wäre gelogen.

Am Nachmittag der geplanten Ausfahrt traf ich sie wieder im Gasthof Krone – im altehrwürdigen Speisesaal im ersten Stock des Hauses konnte sie sich umziehen. Ich überließ ihr meinen nun frischesten, saubersten Lederanzug, den rot-weiß-goldenen Spidi-Rennkombi, der sie ewig lange Minuten beschäftigte, bevor sie als Biker-Supermodel wieder in die Bar schritt.

Dieser
Moment ..

In diesem Moment fielen ca. 19 Kaffeelöffel zu Tisch, Gespräche am Tresen stoppten, Münder blieben offen. Was in diesem Moment durch die Tür trat, war ein Supermodel in perfekt sitzendem, knackigem Leder, die langen, schwarzen Haare wie beiläufig über die Schulter werfend. Sie schlug sich frech mit beiden Händen auf den Hintern und setzte sich mit den Worten „Passt perfekt! Wollen wir?“ neben mich.

In seltsamer Stille verließen wir die Bar. Ich überreichte ihr eine Sturmhaube und berührte sie zum ersten Mal, als ich ihr half, ihre Haare halbwegs im Leder unterzubringen. Ich erklärte ihr den Sitzplatz, ich erklärte ihr das Tun und das Lassen während der Fahrt. Sie bekam mein Versprechen, aufmerksam und vorsichtig zu fahren, und wir einigten uns auf einen Klaps auf ihren Unterschenkel, falls ich überholen wollte. Sollte es ihr zu schnell werden, sollte sich mich leicht in meine Nieren drücken.

Ausfahrt
mit dem Supermodel ..

Als Ziel unserer Ausfahrt schlug ich ihr das Stilfser Joch vor, klar. Sie war noch nie dort, meinte sie – weder mit einem Motorrad, noch mit einem anderen Fahrzeug, sie kannte es also nicht, aber es kam kein Zweifel über ihr Gesicht, sondern nach wie vor nur Begeisterung und „ja, toll, das machen wir!“ Ich wählte also die kleinen Schleichwege von Mals über Laatsch, Glurns und Prad, um auf die Straße zum Stilfser Joch zu gelangen, ich fuhr die Ducati ohne Hektik, ich fuhr die Kurven nicht schnell und schräg, sondern begann den Swing gemütlich und langsam.

An meinen Nieren spürte ich nichts, deswegen erhöhte ich das Tempo auf – für mich – „normal“. Die ersten Kehren gelangen ohne Widerstand von hinten – im Gegenteil, wir kamen immer weiter, immer höher, und ich bemerkte an ihrem nach oben zeigendem Daumen, dass sie die Ausfahrt bereits jetzt schon genoss, dass ihr das Schwingen durch die Landschaft, durch die kühle Abendluft, entlang gewaltiger Bergriesen richtig gefiel.

Abends unterwegs mit der Ducati 748s

Abends unterwegs mit der Ducati 748s

Auf halbem Weg, auf der Franzenshöhe, stoppte ich und half der Hübschen aus dem Helm. Ihre glänzenden Augen flogen förmlich über die Bergwelt zur Linken, über das Straßen-Monument vor uns, über den gewaltigen Ortler hinter uns, und die Begeisterung in ihrem Gesicht schien grenzenlos. Es kamen Worte wie „cool“, „toll“, „der Wahnsinn“ aus ihrem Mund, aber auch, dass es doch etwas arg kühl durch die Löcher im Leder zog.

Es war nicht der Tag, um sich oder andere erkälten zu müssen, deswegen schlug ich die Fahrt zurück ins Tal vor. Vielleicht irgendwo einen feinen Cocktail trinken, eventuell irgendwo eine Kleinigkeit essen, ganz sicher gespannt darauf warten, was der junge Abend noch so bereit halten würde.

Ja, toll –
das machen wir!

.. war ihre Antwort, erneut, und so führte unser Weg wieder ins Tal, von der Franzenshöhe in den Olympia-Pub nach Schlanders. Das Spiel aus der Bar von vorher wiederholte sich – angesichts des Supermodels im Leder, strahlend durch den Raum schwebend, verstummte gefühlt sogar Eros Ramazotti in den Lautsprechern, und wegen stolzgeschwellter Brust spannte mein Leder etwas am Oberkörper ..

Wir hatten ein sehr angenehmes, freundliches, nettes Gespräch. Die Hübsche erzählte mir begeistert von ihren Eindrücken hinten oben auf der Ducati, von dem lässigen Gefühl in Schräglage, von der interessanten Klangkulisse meines Motorrads, von den Gerüchen im Wald hinter Trafoi, von der steigenden Temperatur beim Runterfahren vom Stilfser Joch, und sie schwärmte davon, dass Motorrad fahren genau das sein würde, was sie machen möchte, was sie leben und erleben möchte. Es tat mir irgendwie wohl im Magen, dies zu hören – denn die Ausfahrt mit mir war ihre erste, und ich hatte wohl alles soweit richtig gemacht, angesichts dieser Begeisterung.

Begeisterung ..

So gegen 21.00 Uhr drängte die Hübsche zur Heimfahrt. Es wäre schon spät, und sie müsste am nächsten Tag wieder früh raus. Nun denn, als Kavalier bezahlte ich und half ihr wieder mit den Haaren und dem Leder. Ich konnte anschließend nahezu mit meinem gewohnten Tempo den Vinschgau hoch fahren, denn von der Beifahrersitzbank kamen nur positive, gute Signale.

Vor dem Gasthaus Krone endete unsere viel zu kurze Ausfahrt. Sie zog sich wieder im Speisesaal um, ich verstaute Leder und Helm im großen Rucksack und verabschiedete mich mit den Worten „Das sollten wir unbedingt wiederholen“ und leicht im Scherz „.. und falls Du Hilfe brauchst oder Fragen beim Kauf eines Motorrads hast – nur zu!“

Auf meinen ersten Satz antwortete sie mit „Muss ich mal sehen, morgen kommen meine Eltern aus dem Urlaub zurück, und ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Papi das nicht erlauben wird.“ Noch bevor ich diesen Satz halbwegs richtig einordnen konnte, meinte sie „Aber ich denke schon, dass ich nächstes Jahr, wenn ich 16 werde, den Motorrad-Führerschein machen darf.“

Mein Papi
 wird das nicht erlauben ..

Das bezaubernde Supermodel war noch so richtig minderjährig .. Nach dem ersten Schock brachte ich die Verabschiedung noch halbwegs souverän hinter mich. Ich schaffte es sogar irgendwie, einen Spruch in der Art von „ein Jahr geht ja schnell vorbei ..“ über die Lippen zu bringen, und setzte mich dann leicht geplättet an den Stammtisch. Das Hefe-Weizen hätte ich gerne mit Schnaps getrunken, aber ich war schon genügend neben der Spur.

Ich hatte als 30jähriger tatsächlich über Wochen mit einem Teenager geflirtet, auf einer einsamen Ausfahrt hinter mir gespürt, mich mit einem Teenager in eine kuschelige Pub-Ecke verkrochen. Dass ein 15jähriges Mädchen derartig erwachsen aussehen und meinen eigenen Lederanzug derartig kurvenreich ausfüllen konnte, derartig einen auf Supermodel machen konnte, das kam mir nicht und niemals in den Sinn.

Der Wirt meinte am Ende des Abends ganz trocken: „Die Ausfahrt habt Ihr sicher genossen, hm? Nur ihr Vater sollte das vielleicht besser nicht erfahren, so als italienischer Finanzbeamter, noch im Dienst ..“

Er hat es wohl doch erfahren, denn ich hab‘ sie nicht wieder gesehen. Den Namen des schönen Supermodels habe ich mittlerweile vergessen, ich würde sie auf der Straße wohl auch nicht wieder erkennen. Ich vermisse auch gar nichts. Aber dieser Moment, diese Worte ..

Wenn ich
 16 werde ..

.. die sind geblieben. Genauso wie der rot-weiß-goldene Lederanzug ..

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