Cluster-Kopfschmerz

MotorProsa: Extreme - Cluster-Kopfschmerz
Lesedauer // Reading time: 4 Min.

Cluster-Kopfschmerz? Ja, Kopfschmerzen hat doch jeder mal – nach dem Feiern, nach der Arbeit, bei schlechtem Wetter. Aber mit ein bißchen Aspirin, Zitrone im Kaffee und Tiger-Balsam auf den Schläfen geht das doch schnell wieder vorbei.

Wenn es doch nur so einfach wäre …

Das Symbol von MotorProsa: die Füllfeder.

„Normale“ Kopfschmerzen kenne ich gar nicht. Mich plagt keine Standart-Migräne oder ein dumpfer Druck im Kopf, der sich mit irgendwelchen Hausmitteln beruhigen ließe. Ich leide unter Cluster-Kopfschmerzen, und die sind anders – das ist der ABSOLUTE Schmerz. Er ist nicht lästig, er zwingt mich auch nicht in die Knie – nein, er schleudert mich mit Anlauf zu Boden, verbeißt sich in meinem Nacken und pfählt sich heiß und stumpf glühend durch meinen Schädel.

Während einer Attacke tobt unfassbare Gewalt in meinem Kopf. Alle Muskeln meines Körpers zerren dagegen, trotz des lodernden Feuers im Schädel läuft mir kalter Schweiß über das Gesicht. Meine Kiefer knirschen aufeinander, Zahnschmelz bricht, Halswirbel knacken, während ich versuche, mir den Kopf vom Rumpf zu reißen.

Blut schießt ins rechte Auge, eine grell blendende, fleckig strahlende Aura legt sich über alles Sichtbare. Ich kann nichts mehr sehen, aber ich mag meine Augen ohnehin nicht öffnen. Meine Schläfen tragen Abdrücke der Fäuste, die sich gegen die brennenden Knochen pressen.

Zu extrem beschrieben?
 Bei weitem nicht!

Diesem bösartigen Gemetzel weicht – irgendwann, wenn’s nicht mehr geht – sämtlicher Lebenswille. Nach Wochen des Schmerzes wird mein Gemüt in depressivste, dunkelste Ecken gezwungen. Es ist ein sinnloses, unverdientes, mit nichts zu rechtfertigendes Leiden.

Mich reitet dieser Dämon seit über dreißig Jahren. Hatte ich als Jugendlicher zum Glück nur sporadisch das Vergnügen, hätte später, als gestandener Mann, das Böse um ein Haar gewonnen: Ich musste alleine und hilflos zahllose, jedes Mal aggressiver werdende Attacken in immer kürzeren Zeitabständen ertragen – ohne wirksame Medikamente und ohne Ärzte, die verstanden, was hier passierte. Noch nicht mal einen Namen für das Wüten in meinem Kopf hatte ich .. Nach jeder Attacke schwand meine Hoffnung, dass das irgendwann aufhören könnte. Jede Attacke raubte mir mehr Energien, ließ dafür mehr Ängste da – und der einzige Ausweg wurde immer konkreter.

Aber Hoffnung
 ist eine starke Kraft …

… und der Wille, diesem extremen, hinterhältigen Kopfschmerz im wahrsten Sinne des Wortes die Stirn zu bieten, brach mir auch nach den wildesten Nächten nicht.

Die richtige Diagnose stellten vor einigen Jahren, nach einem Zusammenbruch im Büro, die Fachärzte im Ospidal Val Müstair, und mein mich jahrelang plagender Feind bekam endlich einen Namen: Cluster-Kopfschmerz – periodisch stark gehäuft auftretende, vernichtende Schmerzen im Bereich von Schläfe und Auge.

Cortison ist der natürliche Feind vom Cluster-Kopfschmerz. Aber der Kampf bleibt nicht ohne Spuren ..

Kampfspuren: Cortison gegen Cluster-Kopfschmerz

Periodisch bedeutet in meinem Fall, dass ich jedes Jahr Ende Dezember bis zu viermal täglich brenne, und das stundenlang … Den Krieg gegen General Cluster führe ich mit Triptan-Injektionen, Inhalation von 100%igem Sauerstoff, hoch dosiertem Cortison mit all seinen lustigen und belastenden Nebenwirkungen und einer strikten basischen Diät. Dennoch endet bisweilen eine Schlacht an der Morphin-Flasche.

Meist dauert es drei bis vier schlaflose Wochen, bis mein Kopf wieder mir alleine gehört, und es kostet etwas an Körpergewicht – selten ein Nachteil, dem nicht auch was Gutes innewohnen würde. Meine Stirn werde ich ihm nach wie vor bieten, denn …

H old

O n,

P ain

E nds!

Cluster-Kopfschmerz ist vor allem immer noch ein großes Rätsel: Die Ursachen dieser Schmerzen und deren Heilungschancen sind noch weitestgehend unbekannt. Dass nur so wenig Menschen darunter leiden, ist zum einen ein großes Glück – für die Betroffenen allerdings Pech, denn groß daran geforscht und mit Medikamenten Geld verdient wird offenbar nicht.

Aufgrund der vernichtenden Intensität versuchen die Betroffenen alles Mögliche, um Linderung zu finden. Obwohl ich dank regelmäßiger Einnahme von Verapamil seit ca. 2 Jahren schmerzfrei bin, kann ich nicht davon ausgehen, meinen Feind besiegt zu haben – das glühende, sich durch meinen Kopf bohrende Schwert hängt irgendwie immer über mir.


Hilfreiche
 Links

  • Kopfschmerzen-frei.de
    Die Website Kopfschmerzen-frei.de bietet umfangreiche Informationen zu Migräne und Kopfschmerzen. Sie klärt über Ursachen und Symptomen bis hin zu Triggern, Schweregraden und Behandlungsmöglichkeiten auf. Schaut vorbei, denn: Je mehr über eine Krankheit bekannt ist, desto leichter lässt sich damit umgehen.
  • Schmerzklinik Kiel
    Für viele Betroffene die letzte Hoffnung. Die Spezialisten der Schmerzklinik Kiel sind bekannt für ihre Forschungsergebnisse und ihre Erfolge in der Linderung des Leidens.

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1 Gedanke zu „Cluster-Kopfschmerz“

  1. Flott, dass du so offen über des redn/schreibn tuasch! Groasses Kompliment!
    Und schreibn tuasch im übrign olls olm volle super!gfollt mar!!!

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