Stilfserjoch – mit dem Fahrrad

MotorProsa-Blog: Mit dem Fahrrad aufs Stilfserjoch
Lesedauer // Reading time: 4 Min.

Im Spätherbst 2018 erreichte ich das Stilfserjoch erstmals mit dem Fahrrad. Als konsequenter Unsportler war das ein besonderes Projekt für mich, die Ankunft auf der Passhöhe ein unvergesslicher Moment. Wie kam es dazu?

200 Jahre Stilfserjoch-Straße (Logo)
200 Jahre Stilfserjoch-Straße
Das Symbol von MotorProsa: die Füllfeder. Motorrad-Geschichten, geschrieben mit Passion

Im Trüben meiner Pläne existierte eine Fahrradfahrt auf das Stilfserjoch schon immer. Zu präsent die Begeisterung für die Rennradhelden, denen ich bei meinen Motorradfahrten ständig begegnete, zu lebendig die Erinnerungen an meine Fahrradtouren in der Jugend, die so lange in heftigen Steigungen stattfanden, bis meine Knie nicht mehr mitspielten.

Omar di Felice lieferte mir mit seinem Projekt „Italy Unlimited“ die finale Motivation, das Vorhaben endlich anzugehen. Nachts auf der Stelvio-Westrampe zu sehen, wie unwiderstehlich er nach über 2000 Nonstop-Kilometern noch in die Pedale trat, ließ mich denken: „Das schaffst Du auch“. Zumindest eine Rampe …

Die ursprüngliche Idee, dafür mein Rennrad aus Jugendzeiten zu verwenden, verwarf ich schnell: Magere 10 Gänge, der schwere Stahlrahmen und die noch schwereren Räder (nicht, dass dies bei meinem eigenen Gewicht eine Rolle gespielt hätte) sowie ein bemitleidenswerter Pflegezustand sagten „Lass es“. Ersatzteile für die Auffrischung des alten Atala waren zwar schnell gefunden, die Montage fand aber bisher nicht statt. Vielleicht wird ja 2025, zum 200jährigen Jubiläum der Stilfserjoch-Straße, etwas draus?

Also spannte ich das Rennrad auf den Rollentrainer und quälte mich jeden Abend eine halbe Stunde lang, in der Hoffnung auf einen Effekt. Das waren die langweiligsten und sinnlosesten halben Stunden meines Lebens. Weder baute ich Muskeln auf noch spürte ich eine Zunahme meiner Kondition. Ich gewöhnte mich wenigstens an den harten Sattel und hatte im Lauf des Sommer keine Beschwerden an empfindlicher Stelle.

Stilfserjoch mit dem Fahrrad –
 Los gehts!

Bei frühlingshaften Temperaturen fuhr ich mein neues Bionicon ins Freie und mit immensen Stolz durch die Gegend. Immens auch mein Leiden in der ersten Steigung, denn das für die Talfahrt gebaute Fully war noch schwerer als mein 40 Jahre altes Rennrad. Immerhin zeigten sich nach wenigen Tagen erste Effekte in Sachen Muskelaufbau, ich kam jede Woche 50 Meter höher hinaus. Und: Es machte einen Heidenspaß, damit wieder ins Tal zu rasen.

Nicht das perfekte Gerät für den Plan: Bionicon Edison Evo

Nicht ganz das passende Gerät

Schnell wurde mir klar: Wenn überhaupt, würde ich es nur mit Bike Nummer 3, einem Hardtail-MTB, schaffen. Also wechselte ich regelmäßig den Untersatz: Montags für die Kraft mit dem Bionicon steil auf den Berg, mittwochs für die Kondition mit dem Cube im Tal Strecke machen. Freitags fuhr ich einen Mix aus Beidem, sammelte Höhenmeter mit dem Hardtail.

Das funktionierte so gut, dass ich mich während des Trainings über „Gipfelsiege“ z. B. am Albulapass freuen konnte. Auf den unendlichen Waldwegen rund um mein Dorf drang ich in nicht gekannte Landstriche vor und erlebte sportliche Freude – alleine dafür hat sich jede Anstrengung gelohnt. Für die Passhöhe des Stilfserjochs reichte es dennoch lange nicht; beim Versuch, sie über den Umbrail zu erreichen, überschritt ich meine körperlichen Grenzen. Um ein Haar hätte ich mich aus der Schweiz abholen lassen müssen.

Mit jedem Höhenmeter lernte ich. Ich fand die Schwelle zwischen noch aushaltbarem und schon schmerzhaftem Puls, konnte die Menge an benötigtem Wasser und Bananen immer besser einschätzen. Irgendwann geriet ich sogar in eine Art medidative Tret-Trance, die mir entspanntes Klettern bis weit über 2000 Meter Meereshöhe erlaubte.

Ziel
erreicht!

Im Spätherbst, am letzten Tag vor der Wintersperre, fuhr ich bei eisiger Kälte über den Pass. Die letzten Meter drückte ich mich mit reiner Willenskraft in die Höhe, ignorierte Erschöpfung und die brennenden Beine. Die über mich hereinbrechenden Emotionen und die Freude darüber, es geschafft zu haben, sind sieben Jahre später immer noch sehr präsent.

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