Eine neue Qualität des Motorradfahrens, erfahrbar auf der Zero SR/F aus Kalifornien. Schwerelose Kraft, lautlose Macht und hochemotionale Dynamik-Erlebnisse – auf einem Elektro-Motorrad! Unvorstellbar? Ein Erfahrungsbericht.
Der Zündschlüssel steckt im Schloss, doch beim Dreh nach rechts passiert – nichts. Ein Druck auf den vermeintlichen Startknopf – er wird sich als Button für den Tempomat herausstellen – bleibt ohne Effekt. Der Killschalter ist auf „On“, der Seitenständer hochgeklappt – trotzdem bleibt die Stille ununterbrochen.
Wer, wie von einigen Motorrädern gewohnt, beim Starten den Kupplungshebel ziehen will, greift ins Leere. Und wer, wie gewohnt, schwungvoll am Gasgriff dreht, um das Motorrad mit einer Extraportion Treibmittel zum Leben zu erwecken, erfährt den Enterprise-Befehl „Skotty – Energie!“ in seiner heftigstmöglichen Form. Denn die Zero SR/F, um die es hier geht, hat weder eine bei aktivierter Zündung surrende Benzinpumpe noch einen Elektro-Starter, der krachend in ein Zahnrad geworfen wird. Es gibt keinen nicht zu findenden Leerlauf und keinen Schaltschlag beim Einlegen der ersten Gangstufe.
Die SR/F ist ganz anders: sie startet nicht, sie bootet. Und verbindet sich per Bluetooth mit dem Fahrer-SmartPhone. Ohne erhöhte Drehzahl beim Kaltstart ist ihr Motor nach dem ersten Systemcheck einsatzbereit. Ein Dreh am Gasgriff – viel mehr Möglichkeiten hat der Fahrer nicht – reicht, um die Maschine mit Nachdruck nach vorn zu schießen.
Maschine ist gut .. denn Zero bedeutet Null, und am Beispiel SR/F nicht nur im Wortsinn so gut wie nichts Mechanisches. Im Motor, der laut Datenblatt bis zu 110 PS und 190 – ja, HUNDERTNEUNZIG!! – Nm Drehmoment leistet, dreht sich nur ein einziges Teil. Und: dieses Teil treibt keine Zwischen- und Getriebewellen an, sondern reißt direkt am Riemen, und dieser an der an der Felge ohne Ruckdämpfer verschraubten Riemenscheibe. In der Konsequenz beträgt das Spiel im Antriebsstrang exakt Null – Zero.
Nix mit
Spiel im Antriebsstrang
Generieren herkömmliche, von Benzin befeuerte Motorräder eine Klang- und Geruchswolke, die sie erst nach komplizierter Koordination von Kupplungshand, Schaltfuß und Gashand verlassen können, schwebt die Zero SR/F wie ein fliegender Teppich einfach lautlos davon. Seltsam genug, dass die Zahlen auf dem Tacho ohne das Auf und Ab von Drehzahlen und ohne Zugkraftunterbrechungen rasant zunehmen und die linken Extremitäten des Motorradfahrers dabei unbeschäftigt bleiben. Das Schließen des Gasgriffs macht dann auch den einsamen Bremsgriff am Lenker nahezu überflüssig – obwohl selbst die heißesten Öfen auf diesem Planeten chancenlos gegen den Abzug der SR/F sind, verwandelt diese ihre Bewegungsenergie nicht in Bremsscheiben-Wärme, sondern in Watt, und schickt sie reichweitenverlängernd in die Batterie zurück.
Kuriose Vorgänge gehen unter dem etwas raumgreifenden, mit dem Typ 2-Ladekabel gut gefülltem „Tank“ vor sich. Unsichtbare Ströme von Elektronen und geladenen Teilchen fließen durch fingerdicke Kabel und erzeugen ein leises Summen, das so gar nicht zu der gewalttätigen Beschleunigung dieses immerhin 220 kg schweren Roadsters passen will. Zum Glück für das eventuell nicht aufmerksame Umfeld einer startenden SR/F quietscht der gut geforderte Zahnriemen bisweilen etwas warnend.
Nada
Dezibel
Für den Fahrer geht dieses Quietschen, das sich mit Seifenwasser und Talkumpulver eliminieren lässt, nach knapp 3,5 Sekunden – so lange bzw. so kurz benötigt die SR/F für den Sprint von 0 auf 100 km/h – im Rauschen des Fahrtwinds unter. Vibrationen von arg wütenden Kolben und heftigen Detonationen in den Zylindern, die Gluthitze von durch enge Rohre jagende Abgase und enorme Kreiselkräfte von Kurbel- und Getriebewellen – all das, was für so viele die Emotionen beim Motorradfahren ausmacht, fehlt der SR/F komplett. Zero – Nix. Nada. Niente.
Und trotzdem meißelt schon der erste Zug am nicht vorhandenen Gaskabel entglittene Gesichtszüge in den Helm. Diese ultraspontane Beschleunigung, die volle Power ab dem ersten Moment des Geschwindigkeitswunsches – das schafft kein Verbrennungsmotor, sofern er nicht mit Nitro betrieben wird. Schon der Gedanke an einen Überholwunsch reicht, um sich weit vor dem „Gegner“ wieder einreihen zu können.
Das wird zu einer ganz neuen Qualität von Motorrad-Emotion. Der Käufer einer SR/F kann Gedanken an PowerCommander, Nachrüst-Auspuff, heller brennende Zündkerzen und besser atmende Luftfilter knicken. Motoröl, das wegen Raumfahrt-Additive ein viertel PS mehr Leistung bringen soll und diamant-like-carbon beschichtete Kettenglieder für Schmierfaule müssen ihn auch nicht mehr interessieren. Wartungsintervalle finden sich zwar noch im Handbuch der SR/F, sie beschränken sich aber auf die Kontrolle des Antriebsriemens und den Check der Bremsflüssigkeit.
Also – keine schwarzen Finger mehr nach einer intensiveren Beschäftigung mit dem Motorrad, Ölflecken auf der heimischen Einfahrt oder dem Garagenboden werden nicht mehr vorkommen.
Niente
Wartung
Das in langen Jahren erlernte Spiel mit den Hebeleien am Lenker und den Fußrasten entfällt. Dafür verlangt die Zero SR/F die Einhaltung anderer Vorgaben, z. B. beim Laden: eine falsche Reihenfolge beim Anstecken an die Ladesäule oder zum falschen Zeitpunkt an- oder ausgeschaltene Zündung können den Fluss der Kilowatt etwas stören.
Aber wenn dann beim Beschleunigen aus der Kehren ausnahmslos alle anderen Motorräder innerhalb von Sekunden zu kleinen Farbtupfern in den Rückspiegeln werden, dann ist das nach einer Woche immer noch umständliche Hantieren mit dem Ladekabel, das nie beim ersten Mal in das Tankfach passt, vergessen, und das Erreichen der nächsten Ladesäule mit so wenig Restenergie wie möglich wird die neue Angststreifen-Herausforderung des E-Motorradfahres.
Ja das Teil kann einen schon anfixen…..
Komm grad vom 1000 Km Service
200,- Euronen für 1 Std.
Durchsicht…..
Sportlich aber die Werkstatt will ja auch leben
Spass kostet
Einmal kurz als Tip für deine Zero SR/F: Kaufe dir einen Ersatzriemen bei deinem Händler und nehme den frühestens nach 15000 Km Gesamtlaufleistung immer mit! Mache dich mit dem Ausbau und dem Einbau des Riemens vertraut! Denn der kann nach diesen 15000 Km sich gezogen/gelängt haben. Dann rutscht der irgendwann über die Antriebsscheibe…..Gruss
Dankeschön
Ich fahre die Zero SR/F und bin begeistert. Ein echt heißer Ofen, den ich allen Motorradfans empfehlen kann.
Super Artikel. Ich bin mal so ein Bike gefahren. Da hauts dich ganz schön weck. Aber mir fehlt der Sound.
Richtig starkes Teil!!!
Seit ich in der Entwicklung von E-Fahrzeugen arbeite begeistert mich das Thema E-Antrieb und ich bin totaler Fan geworden. Hab auch wirklich schon mit dem Gedanken gespielt ein E-Motorrad zu kaufen aber die Preise dafür schrecken mich doch noch ein bißchen davon hab. Dein Bericht zu lesen hat mich auf jeden Fall angespornt weiter zu sparen.
Ben
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https://drin-draussen.de/
Danke Dir, Ben, für Deinen Kommentar.
Ich kann Dir nur sagen – darauf zu sparen lohnt sich. Also halte durch!
Das Design gefällt mir sehr gut. Ich würde gern mal eine Testfahrt damit machen! Bin noch nie ein Elektromotorrad gefahren.
Grüße Dirk
Hallo Dirk,
die Chance solltest Du nutzen. Allerdings – Probefahrten mit E-Motorräder sind gefährlich für den Kontostand.
Ein Traum auf zwei Rädern! Da kann ich mir gut vorstellen, eine geile Tour durch Europa damit zu machen. Und eine Steckdose zum Laden finde ich schon.
So schaut’s aus, Philip – es gibt viel mehr Steckdosen als Tankstellen
Beste Grüsse, und Danke für Deinen Kommentar!
ein volles Geschoss mit viel Druck auf den Hintern!
Ich denke es wird noch ein Weile dauern bis die echten Motorrad Fans auf Elektro umsteigen.
Tja, wahrscheinlich wenn es anders nicht mehr geht!
LG Eddi
Hoi Eddi,
ich fahre ja auch gerne mit meinen Verbrennern, das hat unbestritten seinen ganz speziellen Reiz und Berechtigung. Elektrisch ist allerdings “Neu” und faszinierend. Wenn’s in das Fahrprofil passt, eine geniale Sache.
Schön geschrieben!
Elektro scheint die Zukunft für das Motorrad zu sein. Reichweite ist auch für eine Tour am Wochenende inzwischen ok. Fehlt noch die Infrastruktur, dass man beim kurzen Einkehrstopp eben auch mal das Motorrad an die Steckdose anschliessen kann, bevor die Kollegen dann zur nächsten Tankstelle rollen.
Hallo Marco!
Vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich bin zuversichtlich, dass die Ladeinfrastruktur sich mehr und mehr verbessert, und auch Motorradtreffs etc. drauf einsteigen. Ich arbeite jedenfalls daran
Viele Grüsse und Allzeit gute Fahrt!
Scheint toll zu sein, hoffentlich verführt es nicht zum riskanten Überholen. Und ich wußte es, für alles gibt’s ne App. Auch zum Motorradfahren!
Liebe Liane,
Überholen ist damit schon eine ganz andere Welt. Aber mit jeder elektrischen Fahrt geht mein Fokus mehr in Richtung “Energie sparen” und “Reichweite gewinnen” denn in Richtung “Feuer”.
Ja mein Freund, noch einmal ein Verbrenner Moppet, dann wird die Technik so weit sein, dass ich auch endlich stromern kann!
Sehr eindrücklich, lieber Jürgen. Das ist wohl die Zukunft – schön beschrieben und bebildert. Ich wünsche dir, dass du bei all den physikalischen Kräften, die dieses Höllengerät frei setzt, immer schön im Sattel bleibst. Ich freue mich auf weitere Berichte zu dem Thema.
Herzliche Grüsse
Der halbharte Mann
Sehr schön geschriebener Beitrag. Auch wenn der Elektroantrieb mächtig Schub bietet, so würde ich im Alltag doch irgendwie das Donnern von Motor, Auspuff und Metall vermissen.
Liebe Grüße Micha
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http://www.michaslifestyle.at
Ich durfte die Zero mal (Probe)fahren: unglaublich was passiert, wenn man am (Gas)Hahn dreht; da werden die Arme lang. Das Aussehen lässt auf den ersten Blick kein Elektro-Motorrad erahnen. Blick-/Hörfang bei anderen Verkehrsteilnehmern, egal ob auf vier Rädern oder als Fußgänger.
Die Zero ist aber teuer in der Anschaffung, zu dem Preis gibt’s was Handfestes.
Ansonsten: Respekt vor dem Teil (180 Nm)
Prima Jürgen!
Jetzt wissen wir recht genau was SIE alles nicht macht. Das können sich ja viele kaum vorstellen, ein Motorradleben ohne diese ganzen Zeremonien. Diese Einleitung, die Du gewohnt Bildhaft geschildert hast, ja sie war notwendig. Aber wir wollen fahren, fahren, fahren, düsen, schwingen, ankern, anbremsen, reinbremsen in die Kurven und Kehren deiner schönen einzigartigen Heimat. Bin sehr gespannt und freue mich auf weitere Berichte, sei es hier oder anderswo.
Gruß Rolf