Energica Ego – Neues Motorradfahren

MotorProsa: Energica Ego - Neues Motorradfahren
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„BOAH ..“ – wenn zwei erfahrene, an leistungsstarke Motorräder gewöhnte Fahrer beim Absteigen nur dies rausbringen, dann ist vorher etwas Beeindruckendes passiert – Energica macht’s möglich. Eindrücke einer elektrischen Fahrt auf das Stilfserjoch.

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Dieser Text erschien – gekürzt und leicht überarbeitet – im Motorrad Magazin MO, Ausgabe 2.2020 (Januar), mit dem passenden Titel „Stromaufwärts“.


Motorrad fahren – wegen Dynamik, Schräglage und Sound ein höchst emotionales Ereignis. Für einige ist es mehr: auf Höhe der Knie arbeiten mechanische Meisterwerke, in jahrelanger Ingenieursarbeit verfeinert und optimiert. Moderne Motoren, die aus Hunderten von Präzisionsteilen zusammengebaut werden, bieten Rennsport-Technik und erzeugen auf Wunsch wütende Kräfte, die Landschaften mit über 300 km/h vorbeireißen können. Motorrad fahren ist auch in technischer Hinsicht etwas ganz Besonderes.

Der Dreh am Gasgriff geht immer: schon Babies wird er als Spielzeug angeboten, um unter sabberndem „Brumm“ kräftigen Motorlauf zu simulieren. Auch später, ausgewachsen, wird beim Probesitzen auf Motorrad-Messen ordentlich Gas gegeben.

Ganze Monatslöhne werden zum Dealer getragen, um mehr Probleme und weniger Material in Händen zu halten: Sportauspuffe sind der Renner: ob vor Kraft platzende Tausender oder Mofa – es zählt, was hinten rauskommt. Was sonst noch dabei so rauskommt, Streckensperrungen zum Beispiel, ist offenbar vernachlässigbar.

MotorProsa: Blog Post Ducati 748 - Ein Racer vom alten Schlag

Ducati 748s – ein Racer vom alten Schlag

Verpackt in meine alte Ducati 748s findet ein großer Teil der Faszination Motorrad fahren in einer Mechano-Arie aus Zweiton-Kupplung, nestelnder Desmodromik, peitschenden Zahnriemen und auf ihrem Weg durch meterlange Edelstahl-Rohre dumpf-ballernden Abgasen statt. Während die analoge Nadel des Drehzahlmessers hektisch winkend den nicht vorhandenen roten Bereich sucht, wechselt die italienische Kapelle vom stolpernden Marsch zum aggressiven High-Speed Double-Bass-Metal.

Nach den Fahrten über meine geliebten Pass-Straßen dröhnt das brutale Ansaugen unter dem Tank minutenlang in mir nach, während die gut durchwärmte Schrittzone langsam abkühlt und sich die in den Kehren geschundenen Unterarme beim Griff um die Cappuccino-Tasse entspannen können. Über allem liegt eine benzolschwangere Aura ..

Das ist Feeling.
Das geht unter die Haut!

DAS ist aber auch nicht jedem gegeben. Allzu oft wird in den platzsparend gebauten Kurven meines Hausberges am Zusammenspiel von Drehzahl, Schaltzeitpunkt und Gasgriffstellung gescheitert – je enger, steiler und befahrener die Serpentinen, desto erfolgreicher.

Und wieder hat sich das Stilfser Joch ein Motorrad geholt ..

Und wieder hat sich das Stilfser Joch ein Motorrad geholt ..

Das Motorrad, das ich heute durch „meine“ 48 Kehren treibe, spricht ebenfalls Italienisch, beschert mir aber einen Kulturschock, der sich gewaschen hat. Ein breiter Tank drückt mir mit kuriosen Kanten die Beine auseinander, aus dem Vollen gefräste Rasten zwingen meine Füsse nach weit hinten und oben. Das Arrangement von tief angebrachtem Lenker und hoher Sitzbank ähnelt der Triumph Daytona T595, das Lüftungsgitter unter dem Beifahrer-Sitz erinnert mich an die Benelli Tornado.

An der aus dem Vollen gefrästen, durchbrochenen Gabelbrücke vorbei fällt mein Blick auf feuerrote Stahlrohre, durch fette Schweißnähte aneinander gefesselt. Die Gabel selbst trägt den Öhlins-Aufkleber und beschreibt mir die Fahrbahn in hoher Auflösung, während ich mein eigenes Gewicht über jammernde Handgelenke in die edle Fahrwerksware drücke. Die radiale Bremspumpe zeigt stolz das Brembo-Zeichen – der Zug eines einzigen Fingers daran reicht aus, um das Motorrad nachdrücklich in meinen Unterleib zu pressen.

Energica Ego – ein Kulturschock, der sich gewaschen hat ..

Energica Ego – ein Kulturschock, der sich gewaschen hat ..

Foto: www.moppetfoto.de

Der gewohnte Griff zur Kupplung geht ins Leere, denn dort, wo eine weitere radiale Handpumpe am Lenker hängen sollte, hängt – nichts. Auch das Zucken des linken Fußes bleibt mangels Schalthebel ohne Wirkung. Erlebe ich etwa gerade einen Teileverlust am Motorrad, mitten auf dem Stilfser Joch?

Ich lenke in die nächste Serpentine ein und bringe das Motorrad mit minimalem Dreh am rechten Griff um die Ecke – ohne zu kuppeln, ohne zu schalten. Und: ohne Getöse, meinem Untersatz fehlt nämlich auch der komplette Benzin-Motor inklusive Ver- und Entsorgung. Für Vortrieb sorgt in diesem Kraftrad ein batterieversorgter Elektro-Motor der ganz dicken Sorte: er malträtiert seinen Antriebsstrang mit einem Drohmoment (sic!) von 200 Nm, und DAS ist im Motorrad-Bereich ein unfassbar hoher Wert. Zum Vergleich: das KTM-Beast, die 1290 Superduke R, die als vollkommen übermotorisiert gilt, drückt im Vergleich schmächtige 140 Nm.

Drohmoment:
200 Newtonmeter!

Dieser Monster-Motor ist Teil der Energica Ego. Theoretisch müsste seine Kraft den Hinterreifen in einen kilometerlangen schwarzen Strich verwandeln und dabei das fehlende Abgas durch eine weiße Rauchwolke kompensieren. Praktisch bleiben beide Reifen dem geschundenen Asphalt innigst verbunden – weder die renntaugliche Bremsanlage im Vorderrad noch die wie besessen am Hinterrad zerrende Antriebskette überwinden den Grip der Pirelli Diablos.

Das mag zum Teil am Fahrzeuggewicht liegen: 280 kg lasten auf den Achsen, auch wegen der riesigen Batterie, die im Zentrum des Motorrads hoch aufragt. Vor dem ersten Ego-Kontakt war ich tatsächlich froh, wegen meiner noch massigeren Harley Davidson Road King an den Umgang mit Motorrad-Schwergewichten gewohnt zu sein.

Obwohl sich dieses schwere Superbike wirklich einfach und handlich fährt, ist so eine Waagzahl in Zeiten von federleichten V4-Raketen aus Borgo Panigale schlecht für’s Ego – und das viele verbaute, wunderschön anzusehende Carbon irgendwie lächerlich.

Was jedoch in diesem geheimnisvollen Gehäuse hinter der Kohlefaser-Hülle vor sich geht, kaum dass der Stromgriff auch nur minimal bewegt wird, kann ich als an abgewürgte Motoren, Kupplungskämpfe und heiße Wasserkühler gewöhnter Motorradfahrer, der noch die Funktion von Kurbelwellen, Pleueln und Sechsganggetrieben kennt, nicht mehr nachvollziehen: ohne Lastwechselreaktion oder Verzögerung, ohne das geringste Ruckeln, nimmt die Ego dramatisch Fahrt auf, vibrationslos und spielerisch. Das im Schiebebetrieb nach Lagerschaden klingende Antriebsgeräusch ändert sich unter Last in ein lautes, durchdringendes Pfeifen, ähnlich wie man es von der Holzarbeit an einer Kreissäge oder von übersteuerten Elektro-Gitarren kennt ..

Gewalt
auf zwei Rädern

Ansatzlos werde ich ausgangs der Kehren nach vorne gerissen – nicht wie bei Verbrennungsmotoren mit steigender Drehzahl immer stärker und irgendwann nachlassend, sondern schlagartig und mit voller Wucht. Dass dabei die Kettenrad-Muttern nicht abscheren oder sich die Felge nicht im Reifen dreht, ist ein Wunder der Energica-Elektronik. Ihre lebenserhaltende Arbeit läßt sich am hektischen Störfeuer rund um das glasklare TFT-Display erkennen, während die Ego enthemmt den Berg hoch beschleunigt.

Wer nun meint, so ein Tier lässt sich nicht bändigen, der irrt. Die kolossale Leistung ist selbst im Sportmodus so feinnervig dosierbar, dass Serpentinen bei Bedarf buchstäblich im Schneckentempo gefahren werden können. Die komplizierte Kehren-Koordinationsarbeit wird durch die augenblicklich verfügbare Motorkraft und den Wegfall von Getriebe und Kupplung zum Spiel für große Kinder.

Energica Ego – ein leicht zu bändigendes Tier

Energica Ego – ein leicht zu bändigendes Tier

Foto: www.moppetfoto.de

Anfahren am Berg? Einfach am Gasgriff drehen, fertig! Gedanken über den eingelegten Gang, die passende Drehzahl oder das Festhalten des Motorrads mit der Bremse verlangt eine Energica nicht – sie gibt Hirnkapazitäten frei für die Suche nach der am wenigsten buckligen Linie, denn Öhlins dämpft sportlich und federt hart. Etwas Denke sollte immer auch für das sichere Abstellen frei bleiben – es gibt keinen ersten Gang, der eingelegt werden könnte, um eine Energica in abschüssigem Gelände am Wegrollen zu hindern. Also im Zweifel lieber einen Handschuh über Lenkerstummel und Bremshebel schieben, oder am besten gleich die geniale Lösung von Bullet Brake verbauen.

Auf der Passhöhe angekommen, verstummt die Ego. Der Antrieb entwickelt nur wenig Wärme, und diese wird schon während der Fahrt effizient weggekühlt. Es gibt also keine glühenden Ventile, keine blau angelaufenen Auspuff-Krümmer und keine kurz vor dem Überkochen stehende Kühler. Kein Lüfter bläst durch Aluminium-Waben, nach dem Ausklappen des äußerst massiven und stabilen Seitenständers herrscht Stille.

Mein Kollege Erich wartet bereits. Auf seiner unverkleideten Energica Eva in der exklusiven EsseEsse 9-Edition hat er den Berg etwas schneller erobert, denn auch das elektrische Fahren ist aufrecht sitzend leichter und einfacher als im Liegestütz. Die Eva unterscheidet sich von der Ego nur gering und vor allem optisch – Antrieb, Rahmen und Bremsen sowie die Elektronik sind bei beiden im Wesentlichen gleich, Eva rollt jedoch auf edlen Speichenrädern, trägt einen anderen Tank, eine andere Sitzbank und lässt sich über einen breiten Rohrlenker einfacher, frecher fahren. Der Wums des Energica-Motors beschert dem Eva-Fahrer im Vergleich ärgere Armschmerzen, diesem Wums ist wohl auch der großzügig bemessene Lenkerdurchmesser geschuldet.

Erstklassige
Ausstattung

Kenner der Szene freuen sich über die hochwertige Ausstattung der beiden Energicas – hier wurde an Nichts gespart: feine Öhlins-Federelemente und der massive Stahlrahmen sorgen für ein unerschütterliches Fahrverhalten. Rennsporttaugliche Brembo MonoBloc-Zangen mit radialer Handpumpe und riesigen 330 mm-Bremsscheiben fangen die Maschine lässig ein, gefräste Bauteile und eine unfassbare Menge an Carbon, gehalten von lasergeschnittenem Aluminium, schmeicheln dem Auge. LED-Lampen machen die Nacht zum Tag, und als Gag finden sich an der Eva lustige Gimmicks wie das im Lademodus animierte Energica-Logo auf dem Tank oder das kreisende Scheinwerfer-Licht.

Beim Parken, Rangieren oder Wenden wird eine weitere Software-Funktion äußerst nützlich: ein längerer Druck auf den Startknopf aktiviert den Rückwärts- bzw. Vorwärts-Schleichgang. Mein anfängliches Belächeln dieser „sinnlosen Spielerei“ änderte sich beim ersten Rückwärts-Bergauf-aus-dem-Parkplatz-Schieben umgehend in Begeisterung. Sehr gute Idee!

Feinste Fahrwerks- und Bremsenware

Feinste Fahrwerks- und Bremsenware

Foto: www.moppetfoto.de
Alcantara für den Beifahra – edler geht's nicht

Alcantara für den Beifahra – edler geht’s nicht

Foto: www.moppetfoto.de
Gefrästes Alu an Leder – auch die Eva spart nicht mit Luxus

Gefrästes Alu an Leder – auch Eva spart nicht mit Luxus

Foto: www.moppetfoto.de

Wie geht es nun weiter? Nun, der erste und letzte Blick beim Energica-Fahren geht zum Display und zur Ladestands-Anzeige, denn diese bewegt sich sehr viel schneller als eine konventionelle Tankuhr. Wer mit Eva und Ego hoch dreistellige Kilometer pro Stunde zurücklegen will, der muss mit ebenso rasanter Abnahme der Batterieladung rechnen. Fällt der Ladestand unter 30%, sinkt auch die abgegebene Leistung spürbar – nicht unbedingt nachvollziehbar, denn Überhitzungsprobleme, die eine Drosselung des Feuers bedingen würden, kennt die ölgekühlte Antriebseinheit nicht.

Nachladen

Eine Energica-Fahrt ist also immer auch eine Fahrt zur Ladestation, und dies steigert die Spannung zusätzlich. Theoretisch kann eine schnelle CCS-Ladestation den Akku innerhalb von 20 Minuten auf bis zu 80% seiner Kapazität vollpumpen – aber wenn sich Ladesäule und Energica nicht einigen können, bleibt’s bei der Theorie. Langsamere Typ 2-Stecker verarbeiten die Energicas auch, Haushaltssteckdosen hingegen sind Lösungen für eine Nacht oder den Notfall ..

Dicke Kabel für fette Power

Dicke Kabel für fette Power

Foto: www.moppetfoto.de

Das Laden an sich ist eine simple Angelegenheit: nach dem Entriegeln der edlen Sitzbänke klappen diese nach oben und geben den CCS-Anschluss frei. Einstöpseln, kurz auf die Aktivierung der Ladestation warten, fertig. Die geschätzte Ladezeit wird im Display angezeigt oder kann über die MYEnergica-App verfolgt werden. Eigentümer einer Eva oder Ego werden auch sofort lernen, wie sie am besten an die Stromsäulen heranfahren, um beim Hantieren mit dem dicken und bei Kälte wohl auch starren Elektrokabel keine Schäden an Lack oder Carbon zu verursachen.

Ihre Bewegungsenergie können Eva und Ego zum Teil rückgewinnen – und das hebt das Fahrerlebnis auf ein neues Level. Je nach im Display gewählter Einstellung rollen die Maschinen bei geschlossenem Speedgriff ungebremst weiter, verzögern leicht bis spürbar oder werfen massive Anker hinter sich. Das kann soweit gehen, dass die Bremse auf der Abfahrt vom Stilfser Joch kein einziges Mal betätigt werden muss. Viel Strom wird dabei allerdings nicht erzeugt, dafür sind die Energicas dann doch zu leicht und die Rekuperationszeiten zu kurz. Zumindest bleibt der Verbrauch – selbst beim zügigen Abfahren – bei Null.

Energica Ego bei der Stromproduktion – Laden statt Waden

Energica Ego bei der Stromproduktion – Laden statt Waden

Foto: www.moppetfoto.de

Knistern

Bei soviel Hochtechnologie verwundern einige Schrulligkeiten umso mehr. Die alles überwachende und steuernde Software erlaubt zwar eine Tempomat-Funktion, deren Aktivierungsknopf befindet sich allerdings an der rechten Lenkerarmatur und lässt sich mit einem normal gewachsenen Daumen nicht erreichen. Es muss dafür tatsächlich die Hand vom Lenker genommen werden, und weil das Motorrad dadurch abbremst, trifft man niemals die gewünschte Geschwindigkeit. Als Alternative einen linken Finger zu verwenden, ist alles, nur nicht ergonomisch.

Kopfschütteln verursacht mir der Blinkerschalter, der ohne Rastung arbeitet. So ist an jeder Kreuzung ein kurzer Blick auf’s Display notwendig, um die Blinkerei zu kontrollieren. Wie es richtig wäre, zeigt meine alte Ducati: jede Betätigung ihres Blinkerschalters in jede beliebige Richtung sowie auch das Deaktivieren wird von einem gut spürbaren Klick begleitet.

Rätselhaft auch der aus billigem Blech gestanzte Zündschlüssel mit seinem giftgrünen und sofort verschmutzenden Plastikknubbel. Einem Motorrad, das via Bluetooth und Handy-App überwacht werden kann, stünde meiner Meinung nach eine moderne Keyless Go-Lösung äußerst gut zu Gesicht, ebenso wie eine in’s Cockpit integrierte SmartPhone-Navigation.

Auffällig an der wunderschönen und bis ins Detail traumhaft gefertigten Energica Ego: das labile Verkleidungsoberteil. Auf holpriger Fahrbahn, und daraus besteht der Weg zum Stilfser Joch nun mal hauptsächlich, wackeln Verkleidungsscheibe, -oberteil und die daran befestigten Rückspiegel bedenklich. Das hört man aufgrund des leisen Fahrgeräusches sogar, genauso wie das Klappern des Schlüsselrings am Zündschlüssel.

Dass ich mir nach einem Ladevorgang beim Entriegeln der hochgeklappten Ego-Sitzbank heftigst den Zeigefinger einklemmte, verbuche ich unter persönlicher Ungeschicklichkeit – aber vielleicht wäre der scharfkantige Hebel irgendwo anders doch besser platziert.

Zu guter Letzt fehlt mir eine Unterbringung für das dicke und unhandliche Ladekabel. Die moderne Unsitte, so kurze Motorrad-Hecks wie möglich zu verbauen, kostet auch an den Energicas wertvollen Stauraum – anstelle das Nummernschild über einen zugegeben schönen Ausleger hinter das Hinterrad zu bringen, hätte Energica versuchen können, in einem längeren Heck eine Lösung für das Ladekabel zu finden. So ist der Elektrofahrer immer gezwungen, mit (Tank)Rucksack auf Tour zu gehen.


Fazit

Wer meine Gedanken zur Elektromobilität kennt, der wird sich über mein Fazit nach dieser Testfahrt nicht wundern: es gibt für mich keinen entscheidenden Grund mehr FÜR ein Verbrenner-Motorrad. Warum?

  • Die beiden wunderschönen Energicas ermöglichen auch mehr als zügig gefahrene Distanzen, nach denen man gerne mal absteigt.
  • Reichweiten-Angst ist – spätestens nach einem Blick auf die Seite Chargemap – unbegründet: Meine Heimat ist mit Ladepunkten gespickt, und grundsätzlich ist eine Steckdose leichter zu finden als eine Tankstelle.
  • Sound, Vibrationen, Benzin- und Ölgeruch fehlen mir zu keinem Zeitpunkt. Der spezielle Energica-Antrieb bietet eine Klangkulisse, die von metallischem Rasseln bis hin zu irrem sirenengleichen Schreien reicht. Und – lasst uns doch mal ehrlich sein: Ab 100 km/h hört den eigenen Lärm doch nur noch die Umwelt. Deswegen: Leise ist der neue Sound!
  • Ko-Existenz statt Konfrontation: im Sattel der Energicas habe ich überaus positive Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer erlebt, egal ob von Fußgängern, Rad- oder Autofahrern. Auch das ist Teil der Faszination Elektro-Mobilität. Außerdem: mit lärm- und abgaslastigem Outlaw-Gehabe darf man keinen Respekt mehr erwarten ..
  • Der Kostenfaktor: eine Energica ist ein edel gefertigtes und hervorragend ausgestattetes Spielzeug für das immer schon teure Hobby Motorradfahren. Verschleiß findet aber nur an Reifen und Antriebskette statt, und das macht den Spaß sehr preiswert!

Nachtrag

Dieser Fahrbericht entstand im Sommer 2019. Die aktuellen 2020er Modelle von Energica bieten einige der genannten Schrulligkeiten nicht mehr – so gehört nun z. B. ein Keyless-Go-System zur Serienausstattung. Wichtiger ist die wesentlich höhere Batteriekapazität der neuen Modelle, die eine um 60% höhere Reichweite bei – sensationell! – geringerem Gewicht erlaubt.

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3 Gedanken zu „Energica Ego – Neues Motorradfahren“

  1. Servus Jürgen,
    zuerst einmal danke für diesen tollen Bericht!
    Ich durfte kürzlich die esseesse9 und die brandneue Eva Ribelle für 2 Tage testen (Geschenk meiner Frau!) Auch ich war als GS Fahrer hin und weg von der Ribelle! Dieses Jahr wird es nix mehr, aber nächstes Jahr wird voraussichtlich eine angeschafft.
    Deine Kritik teile ich zu 100%. Mich störte eigentlich nur die Anbringung des Tempomats. Als GS Fahrer (Tempomat wird mit nur einem Finger bedient) kann man hier nur den Kopf schütteln. Zumal die Reichweite eines italienischen Daumens kürzer sein dürfte als meiner…Das Einhalten der eingestellten Geschwindigkeit meistert der Regelkreis vorbildlich!)

    Auch das ich zum Ändern der Geschwindigkeit beide Hände brauche schätze ich nicht. Oft habe ich die Geschwindigkeitsveränderung mit dem Blinker verwechselt, da sie sich praktisch gleich anfühlen und übereinander angeordnet sind.
    Ich finde aus Sicherheitsgründen sollte die rechte Hand nur Gas geben und bremsen müssen und dazu immer bereit sein. Die linke braucht es ja nicht mehr (zwei- dreimal habe ich mich beim Geisterkuppeln ertappt…)
    Ich habe meine Kritik auch an Energica geschrieben, bis heute aber keine Antwort erhalten. Insgeheim hoffe ich natürlich, dass der Tempomat nächstes Jahr an der linken Seite angebracht ist…
    Egal, wenn nicht werde ich mir den Knopf halt selber auf die linke Seite legen. Es gibt im Netz dazu Anleitungen.
    Wünsche Dir weiterhin viel Spass mit Deiner Energica!

    Herzliche Grüsse, Christian

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  2. Tja, nach einer gestrigen, einstündigen Probefahrt mit der neuen Eva-Ribelle kann ich den Bericht nur bestätigen. Fahrtechnisch in jeder Hinsicht begeisternd. Ich juckle seit knapp 5 Jahren mit einer Zero DS herum, nicht weil ich grundsätzlich vom E-Motorrad begeistert war, sondern einfach, weil ich nach 40 Jahren auf 2 Rädern (Mofa, natürlich friesiert bis zum geht nicht mehr…) eingeschlossen einfach einmal etwas Anderes kennenlernen wollte. Und das Risiko des Kaufs (ohne Probefahrt, ohne konkrete Besichtigung; Händler und mein Wohnort lagen zum Zeitpunkt des Erwerbs ca. 500km auseinander) hat sich gelohnt: ein komplett neues Fahrgefühl! Und die Sorge, dass mir das Kuppeln und Schalten fehlt, hat sich nicht bestätigt. Wenn ich’s denn brauche, dann steige ich eben auf eins von den anderen beiden (manchmal auch 3) anderen Dingern.
    Jetzt habe ich einen Händler in meiner Nähe und der hat mich gestern mit einer Ribelle fahren lassen (wir kennen uns mittlerweile länger, da er mir bei ein paar Dingen mit der alten Zero sehr geholfen hat; dieser Händler mit seiner Mannschaft ist in jeder Hinsicht zu empfehlen).
    Fazit in Kurzform: Begeisterung! Selbst das ungewohnte Geräusch des geradverzahnten Zwischengetriebes sorgt nach einer Eingewöhnungsphase für Wohlwollen und bei Passanten nicht für Unmut. Eine echte Weiterentwicklung auf dem Sektor der elektrischen Zweiräder. Lediglich eine Sache macht mir noch Sorgen: wenn ich mir das Netz der CCS-Ladesäulen in meinem Umfeld so ansehe, dann scheint mir das doch nicht wirklich dicht gesäht. So warte ich halt noch ein bisschen… Eine Riesterrente ist bereits gekündigt und ausgezahlt, die finanziellen Mittel sind also vorhanden, wie viele Nächte werde ich wohl schlafen? Ach ja, eins noch: als Freund der Veteranenszene kommt für mich die Ribelle natürlich nicht in Frage. Aber zum Glück hat Energica ja noch die EsseEsse9 im Programm, mit der liebäugle ich jetzt.

    Antworten
    • Hallo Erwin,
      herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!! Freue mich sehr darüber – und ich wünsch Dir wenige schlaflose Nächte, dafür so schnell wie möglich viele elektrisierende Ausfahrten auf der Energica!

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