(Meine) Emotionen beim Motorradfahren

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Ob die Ära der Elektromobilität dereinst als Zeitalter der Emotionslosigkeit in die Geschichte eingeht? Zumindest auf Social Media wird Elektrofahrzeugen bzw. dem Fahren damit jegliche Emotion abgesprochen. Emotion beim Motorradfahren – worüber sprechen wir eigentlich?

Das Symbol von MotorProsa: die Füllfeder. Motorrad-Geschichten, geschrieben mit Passion

Nach einer (beinahe hätte ich „emotionalen“ geschrieben) Gesprächsrunde auf Facebook denke ich im Sattel meiner Zero SR/F, während der Fahrt zum Reschenpass, zum heiß diskutierten Thema spazieren. Die Posts einiger Online-Helden glühen in Gedanken noch nach.


Hm – WAS ist es denn dann?

Die Fahrt fühlt sich gut an. Die Linienwahl gelingt, die Schräglagen sind in Ordnung, die kräftige Beschleunigung beim Überholen nehme ich mit Freude zur Kenntnis. Das Ankabeln an der Ladesäule unweit des berühmten Turms ist wie immer problemlos – obwohl die Auskenner im Internet auch das bestreiten.

Beim Blick über das Wasser spüre ich den Eindrücken der letzten Kilometer nach: Weder brach ich in Jubelschreie aus, weil mich die Zero unwiderstehlich am Verkehr vorbeiriss, noch bekam ich eine Erektion wegen der aufsetzenden Fußrasten. Und: Ich wurde nicht traurig darüber, dass die zügige Fahrt arg Energie aus dem Akku zog.

Ich bin einfach Motorrad gefahren. Es war unterhaltsam, spaßig, kurzweilig, und es war gut. Ich kenne es so und nicht anders. Seit 30 Jahren mag ich es. Etwas mögen ist Emotion.


Es gibt Leute, die brauchen nicht viel …

Wieder zuhause, wechsle ich auf meine Ducati. Denn wenn ich mich entlang der verwinkelten Gedankengänge der Social-Motorradhelden denke, müsste eine Fahrt damit eigentlich besonders emotional sein.

Wäre Schmerz eine Emotion, wäre das die Bestätigung. Einen Großteil meines Gewichts muss ich mit den Händen abstützen. Und die Beine arg anwinkeln, denn die Fußrasten der 748 liegen hoch. Sehr hoch. Sie setzen deshalb niemals auf, dafür ereilt mich der erste Oberschenkel-Krampf noch in der Garage.

Aber Schmerz ist keine Emotion.

Der ausgekühlte Ducati-Motor erschüttert rumpelnd die Umgebung, hüllt sie in eine Wolke schlecht verbrannten Benzins. Schaltfuß und Kupplungshand versuchen, Drehzahl und Geschwindigkeit im Einklang zu bringen. Alles ist komplett anders als auf dem amerikanischen Elektriker: herausfordernder, komplizierter. Aber ich kenne auch das so seit 30 Jahren. Ich mag es. Etwas mögen ist Emotion.

In Sachen Fahrleistungen ist die Ducati der Zero hoffnungslos unterlegen – Freudenschreie bleiben daher aus. Die Tonlage der Duc ändert sich mit zunehmender Drehzahl, dumpfes Ansaugen wird irgendwann zu grellem Brüllen, wir wechseln vom Andante ins Stakkato, vom Grummeln ins Hämmern.

Das ist durchaus cool. Und notwendig – denn ohne intensive Schaltarbeit rollt die 748 mehr als dass sie fährt. Liegt ein falscher Gang oder zu wenig Drehzahl an, ist der Spaß vorbei. Die Elektrische kennt diese Komplexität nicht, sie erledigt alles in einem Gang und immer mit Wums. Dabei ist ihr Sound nicht besser oder schlechter. Er ist reiner, schärfer. Changiert und verzerrt sich je nach Last und Speed. Er ist anders als alles, was mit Brennstoff musiziert.


Ist es das Motorrad? Oder ist es das Fahren damit?

Tonlagen bringen mich eher nicht zum Reschensee, sondern die in vielen Jahren erlernte Koordination von Drehzahl, Gangstufe, Linienwahl, Schräglage und Bremsdosierung. Dies nach Wunsch und fehlerfrei auf die Straße zu bringen, ist auf jedem Motorrad ein Genuss.

Ob es dabei unter dem Hintern heiß vibriert oder nicht, ob es brüllt und stinkt oder ohne Giftwolke säuselt, ist mir einerlei. Ich will den Horizont kippen sehen, dem Asphalt näher kommen. Ich will Beschleunigung in den Armen spüren, von der Kraft der Bremsen an den Tank gepresst werden. Ich will die Arbeit der Reifen in den Händen fühlen und vom Fahrtwind erfrischt werden. Das sind Emotionen, die ich will.


Geschmäcker sind verschieden. „Emotionen“ offenbar auch.

ChatGPT –
Hilf mir mal!

Was wohl die KI mittlerweile zum Thema gelernt hat? Ich habe nachgefragt:

Beim Motorradfahren können eine Vielzahl von Emotionen erlebt werden, die von Fahrer zu Fahrer und je nach den Umständen variieren können. Hier sind einige der häufigsten:

  1. Freiheit: Das Gefühl von Freiheit ist oft eine der stärksten Emotionen beim Motorradfahren. Die offene Straße vor einem, der Wind im Gesicht und die Möglichkeit, sich ohne die Einschränkungen eines Autos zu bewegen, vermitteln ein Gefühl von grenzenloser Freiheit.
  2. Abenteuer: Motorradfahren kann ein Abenteuer sein, besonders wenn man neue Routen erkundet oder durch malerische Landschaften fährt. Die Möglichkeit, neue Orte zu entdecken und die Welt auf zwei Rädern zu erkunden, kann ein aufregendes und abenteuerliches Gefühl vermitteln.
  3. Adrenalin: Die Geschwindigkeit, Wendigkeit und das direkte Gefühl der Verbindung zur Straße können einen Adrenalinschub auslösen. Das Beschleunigen auf einer geraden Strecke oder das Kurvenfahren auf kurvigen Straßen kann ein aufregendes Gefühl von Adrenalin und Nervenkitzel hervorrufen.
  4. Entspannung: Obwohl Motorradfahren oft mit Geschwindigkeit und Aufregung verbunden ist, kann es auch eine sehr entspannende Erfahrung sein. Viele Menschen finden, dass das Fahren auf offenen Straßen oder durch die Natur eine beruhigende Wirkung hat und ihnen hilft, den Stress des Alltags hinter sich zu lassen.
  5. Euphorie: Für viele Menschen ist das Gefühl des Glücks und der Euphorie unvermeidlich, wenn sie auf ihrem Motorrad fahren. Das Gefühl der Kontrolle über das Fahrzeug, die enge Verbindung zur Maschine und die Schönheit der Umgebung können eine tiefgreifende emotionale Reaktion auslösen.
  6. Konzentration: Motorradfahren erfordert eine hohe Konzentration und Achtsamkeit. Während des Fahrens müssen Fahrer ständig auf die Straße, den Verkehr und ihre Umgebung achten. Diese intensive Konzentration kann zu einem Gefühl der mentalen Klarheit und des Fokus führen.
  7. Gefahr: Obwohl viele Motorradfahrer das Gefühl der Gefahr genießen, das mit dem Fahren verbunden ist, kann es auch Angst oder Besorgnis auslösen. Die Tatsache, dass Motorradfahren riskanter ist als Autofahren, kann zu gemischten Emotionen führen, einschließlich der Aufregung über die Herausforderung und der Sorge um die Sicherheit.

Diese Emotionen können je nach den Umständen und der Persönlichkeit des Fahrers variieren, aber sie alle tragen dazu bei, das Motorradfahren zu einer einzigartigen und intensiven Erfahrung zu machen.

Selbst die KI erwähnt weder Sound oder mechanisches Getue. Sie erwähnt aber auch das neue Elektrofahren nicht, obwohl dies eigentlich gut zu ihr passen würde. Sie fasst die Summe mehrerer Empfindungen zur intensiven Erfahrung „Motorradfahren“ zusammen.

Was es ja auch ist.

Aber Sound!
Vibrationen!! Benzingeruch!!!

Nach der Heimfahrt durch das Unterengadin setze ich mich für die letzte Tour des Tages auf den Road King. Er stampft laut, vibriert massierend, sein heißer, riesiger V2 lässt die Luft flimmern. Wie eine Dampfmaschine, ein Motor-Rad per Definition. Die schwere Harley schenkt mir ein weltumarmendes Fahrgefühl, ein von Zeitdruck und Hektik befreites Dahinrollen. Hektik käme sie auch gar nicht hinterher. Sie würde sich, dessen bin ich mir sicher, aber auch mit dem Zero-Antrieb geil fahren.

Kalter Fahrtwind schlägt mir ins Gesicht. Und DAS ist der Schlüssel. Er bläst doch auf jedem Motorrad gleich – egal, ob es zweitaktend schreit, vierzylindrig heult, einzylindrig stampft oder – so die Meinung eines besonders Emotionalen in der erwähnten Gesprächsrunde –, wie ein verstopfter Staubsauger klingt.

Die Gründe, WARUM ich Motorrad fahre, habe ich bereits niedergeschrieben. Ich lerne: WOMIT ich fahre, spielt für meine Emotionen keine Rolle. Den regelmäßig steil gehenden Emotions-Bikern in den sozialen Netzwerken wünsche ich bei Gelegenheit die gleiche Erkenntnis.

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Bestens dazu passend:

Erinnerungen an Alex Hill

Das schmerzt. Mit Alex fuhr ich viele Jahre Motorrad, virtuell und in echt. Nun ist er einer schweren Krankheit erlegen. Ride in Peace, @l€x!
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Das Symbol von MotorProsa: die Füllfeder. Motorrad-Geschichten, geschrieben mit Passion

3 Gedanken zu „(Meine) Emotionen beim Motorradfahren“

  1. Lieber Jürgen,
    Deine Gedanken zu „Emotionen beim Motorradfahren“ regen selbst zum Nachdenken an. Ich bin 63 und fahre seit Jahrzehnten Verbrenner-Motorräder. An Anfang stand der Film „Easy Rider“. Dieser legendäre Film hat eine Motorradsehnsucht geweckt, die mich nicht mehr losgelassen hat. „On the road“ – diese Metapher von Freiheit und Offenheit hängt für mich unmittelbar mit Motorrädern zusammen. Seit zwei Jahren steht meine FJR 1300 des ersten Jahrgangs (2001) einsam in der Garage. Als klassischer „Spätzünder“ bin ich erst sehr spät Vater von drei Kindern geworden und habe derzeit keine Zeit, im Sattel eines Motorrads jene Illusion von Freiheit einzuatmen, die ein elementarer Bestandteil meines Lebensgefühls ist.
    Aber ich träume von einem kommenden dritten Motorradfrühling und der soll gleichzeitig ein Statement sein. In meiner Generation kann keiner behaupten, er hätte nichts gewusst. Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer dramatischer und ich denke, wir haben einen Punkt erreicht, wo jede größere Kaufentscheidung eine globale Dimension hat. Daher freunde ich mich mit dem Gedanken an, zukünftig ein Elektromotorrad zu kaufen. Ich will dieses Gefühl der Freiheit im Sattel eines Motorrads so umweltschonend wie möglich ausleben.
    Allerdings muss ich zugeben, dass ich kürzlich wieder schwer ins Wanken kam. Die neue Moto Guzzi Stelvio bringt mich ins Schwärmen – eine zeitlose Schönheit, eine Ikone des italienischen Motorrad-Designs. Aber ich bleibe standhaft: Diese würdige Nachfolgerin meiner FJR kommt für mich um Jahre zu spät, ich würde den Rest meiner Glaubwürdigkeit verlieren, wenn ich erneut einen Verbrenner kaufe. Meine Freunde verstehen das nicht, schon gar nicht jene, die selbst Motorrad fahren.
    Ich denke in letzter Zeit viel über den Begriff „Petro-Maskulinität“ (https://www.deutschlandfunkkultur.de/patriarchat-verbrennungsmotor-klimawandel-100.html) nach. Es sind vor allem Männer, denen es schwerfällt, sich vom Verbrennungsmotor zu lösen. Daher finde ich Deine Gedanken zum Elektromotorrad so wichtig und richtig. Die Emotionen beim Motorradfahren hängen nicht vom Antrieb ab. Und so werde ich versuchen, meine Identität als Mann um den Begriff „Elektro-Maskulinität“ neu zu definieren

    Beste Grüße
    Norbert

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  2. Moin.moin Jürgen
    Ich lese grad Dein Buch,und es gefällt mir sehr.Danke für Deine Zeilen.
    Habe gesehen,das Du auch sehr gern Elektrisch unterwegs bist.
    Ich bin fast 67 Jahre,und lebe Motorrad.Auch die Alpen liebe ich,obwohl ich an der Küste lebe,und geboren bin.Seit kurzem spiele ich mit dem Gedanken, eins meiner ,zur Zeit,7 Motorräder gegen eine Zero zu tauschen.Dein Bericht dazu,ist mir eine grosse Entscheidungshilfe.
    In Kürze werde ich eine Probefahrt vereinbaren, und hier Berichten.
    LG Walter aus Cuxhaven

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    • Hoi Walter,
      vielen Dank für Deinen Kommentar – das schätze ich sehr!
      Ja, in der Tat ist elektrisch fahren ein ganz besonderes Erlebnis. Ich wünsche Dir viel Spass bei der Probefahrt – bin gespannt, ob und welche Entscheidung Du treffen wirst.

      Allzeit gute Fahrt,
      Jürgen

      Antworten

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