Die Geschichte einer kurzen Fahrt mit der Triumph Daytona T595. Im Unterschied zu meinen eigenen Daytonas trug diese die berühmt-berüchtigte Race Can – und diese hob das Fahrerlebnis auf das nächste Level. Mitkommen und taub werden!
Endlich: Die schon Ende 2001 bestellte und lang ersehnte SuperComp-KTM wurde geliefert – und passend an meinem Geburtstag zugelassen. Wie cool! Noch stand sie in Bozen, circa 80 km von zuhause entfernt, und gerne erwartete der freundliche KTM-Händler die Rückgabe meiner in Zahlung gegebenen LC4 640.
Aber – nichts Cooles ohne einen Haken: die Versicherung der 640er KTM war noch bis Mitternacht gültig, ohne Alternative. Konsequenz: Ich konnte die neue Maschine nicht am selben Tag übernehmen.
Während ich noch nach einer Lösung dafür suchte, kam der Auftrag einer Kurierfahrt mit dringenden Unterlagen nach Bozen rein: Deadline 17.00 Uhr. 15.40 Uhr war es bereits .. So fand ich mich auf meiner treuen 640er wieder, zur letzten gemeinsamen Fahrt, und berserkte in Richtung Süden, aggressiv zwischen Autokolonnen wütend, um den Termin irgendwie zu schaffen. Und natürlich: Um danach meinen KTM-Händler zu besuchen. Vielleicht gäbe es ja doch eine Lösung. Nassgeschwitzt erreichte ich den Shop – und da stand sie:
Meine KTM
LC4 625 SCSM
Von oben bis unten eingesaut. Die Alu-Schwinge mit Kettenfett verschmiert. Die Reifen bis an den Rand angefahren. Am Vorderrad eine rote Gabelöl-Pfütze. Das kann doch gar nicht wahr sein?? Ich stand maximal verwirrt davor, und meine Verwirrung wurde noch maximaler, als der Junior-Mechaniker mit seinen schwarz-öligen Fingern einen fetten Abdruck im Sitzbank-Bezug hinterließ. Sind hier alle verrückt?
Die Blicke vom Chef sprachen Worte: „Du willst Deine SC schon heute abholen?“ Bevor ich irgend etwas sagen konnte, ergänzte er: „Warte, ich schieb‘ sie mal raus“ Die schockierend verdreckte, ölpissende SC war gar nicht meine – sie hatte nur ein sehr sehr ähnliches Nummernschild.
Sie wurde also tatsächlich geliefert. Und tatsächlich zugelassen. Es gab sie wirklich, und es gab sie für mich. Nein, der Chef wollte mich nicht bis Mitternacht, bis zur Gültigkeit der neuen Polizze, warten lassen – nach etwas Konversation drückte der mir einen Zündschlüssel für das Motorrad, das mich nach Hause bringen sollte, in die Hand. Und dieser Zündschlüssel kam mir sehr bekannt vor. Es gehörte zu einer
Triumph Daytona T595
mit Race Can
Kenner schnalzen mit der Zunge. Race Can bedeutet Power, Sound und Emotion. Da spielte es keine Rolle mehr, dass die Daytona – wie ich es gewohnt war – nicht ansprang. Dass das Ding im Kaltlauf nur auf einem, vielleicht doch auf zwei Zylindern lief – geschenkt. Ganz egal, dass der Griff in die Bremse an einen Badeschwamm erinnerte. Dieses Motorrad war einfach nur *ich-will-jetzt-gleich-damit-den-Ritten-hoch-feiern*
Ein Fest der Wahnsinne: Der Motor bebte unrund unter mir und ließ mich beim Anhalten regelmäßig im Stich. Stillstand an jeder Ampel, mit argem Orgeln beim Neustart. Aber was der Dreitakter ab 4.000 Umdrehungen ins Hinterrad wuchtete und an Sound aus dem offenen Carbon-Rohr rotzte, war schlicht und ergreifend ergreifend. An meinen Weichteilen wurde es an jeder roten Ampel heißer – um das permanente Absterben zu verhindern, hielt ich die Drehzahl bei 3.000 U/min. Klar, dass die drei Brandstifter im Alu-Rahmen massiv heizten.
Ein Fest
der Wahnsinne
Dann begann es zu regnen – und zwar so, wie es in Bozen immer regnet: Ein Wolkenbruch setzte augenblicklich alles unter Wasser. Und ich grinste mir eins unter dem Helm, während ich mehr quer als kreuz durch die Häuserschluchten der Stadt fuhr, das Brüllen der Triumph genießend, das ständig ausbrechende Hinterrad immer irgendwie einfangend. Ich erinnerte mich mit Freuden an die erste Fahrt mit meiner eigenen T595.
Sie brodelte unter mir, ihr Kessel unter heftigem Druck, mit einem Brandbeschleuniger als Endtopf. Ihr Sound fegte die Autos von der Straße, ihre Kraft überforderte der Hinterreifen im Nassen permanent. Da war es wieder, das Gefühl der absolut mühelosen Beschleunigung.
Ich ließ die Drehzahl in den Keller fallen, nur um sie beim Überholen wieder in den Begrenzer zu jagen. Beim Kolonnen-Hopping gab ich gerne und ausgiebig Zwischengas, beim Surfen auf der Drehmoment-Welle änderte dich das drohende Grollen des Motors ab 5.000 U/min zu einem ekstatischem Schrei.
Ich liebte dieses Nach-vorne-geschossen-werden mit diesem unglaublich kranken Brüllen – von einem Hammermotor, der erst wieder am Reschenpaß abkühlen durfte. Auch wenn sonst nichts an dieser Triumph „Haben-will“-Signale ausgesendet hätte – DIESER Motor und DIESER Schub wären Grund genug gewesen, sich nochmal eine Daytona zu holen. Das Fahrwerk zwar rührseelig, in Wechselkurven richtig Kraft für’s Umlegen fordernd, zahnlose Bremsen, extrem nerviges Konstantfahr-Ruckeln und derbe Vibrationen – aber wäre ich diese Daytona an diesem Tag nicht gefahren, ich hätte etwas Großes nicht erlebt.
Charakter-
Motorrad
An diesem Tag habe ich verstanden, was mit „Charakter“ gemeint ist, wenn von Motorrädern gesprochen wird. Es gab in meiner Motorradfahrer-Karriere nur noch einen schärferen Dreizylinder: die Benelli Tornado RS. Aber das ist eine andere Geschichte.
Bestens dazu passend:
Spannend – Elektrisch durch die Schweiz
Mein Bericht der Anreise aus Italien.