Motorradfahrern wird gerne nachgesagt, dass sie eine innige „Beziehung“ zu ihren Fahrzeugen aufbauen. Einige geben ihren Maschinen Namen, parken sie in der Garage auf weichen Teppichen, lassen sie im Wohnzimmer überwintern. Das mit dem Wohnzimmer kenne ich sogar selbst.
Aber Beziehungen enden – es bleiben Erinnerungen.
Piaggio
Ciao 50 / Bravo 50
Mit 17 war an richtige Motorräder noch nicht zu denken – für mich waren einzig schrecklich mißhandelte Mofas erreichbar. Aber: Ich warf meine ganzen Finanzen in deren Optimierung. Was nicht für Hubraum und Zubehörteile draufging, benötigte ich für Sturzteile, denn für eine ordentliche Bremse reichte es bei allem Tuning nie. Konsequenz: Der irgendwann richtig schnelle Piaggio Bravo zerschellte unwiederbringlich. Die Lenkerin, die sich ohne mein Wissen (!) damit durch die Gegend feuerte, blieb zum Glück unverletzt. Und hat bezahlt.
Beide Klassiker, der Ciao wie der Bravo, sind bei aller ehemaliger Beliebtheit rar geworden. Der Fahrtwind der wassergekühlten, plastikverschalten Scooter, die mit wenigen Handgriffen um die 80 km/h schnell werden konnten, hat sie von Italiens Straßen gefegt. Das nicht vorhandene Fahrwerk und den butterweichen Rahmen, der nach jeder schnelleren Ausfahrt gerichtet werden musste, vermisse ich nicht. Auch den vielen Pannen bei Nässe – sie sorgte verlässlich für Kurzschlüsse – trauere ich nicht nach.
Fazit:
Lieber schlecht gefahren als gut zu Fuß gegangen …
Suzuki
RGV 250 Gamma
Als in meinen 20er Jahren kurzfristig monetärer Wohlstand über mich hereinbrach, zog mich eine japanische Schönheit in ihren Bann. Ich musste sie um jeden Preis haben. Sie war edel und supersportlich – und ich blieb, natürlich, auf der ersten Ausfahrt mit ihr liegen. Nach den Anfangsschwierigkeiten fuhr ich sie viel und eifrig, aber nach zwei Motorschäden und einem Sturz verblasste mein Besitzerstolz allerdings etwas.
Diese Motorschäden wegen diffiziler und empfindlicher Zweitakt-Technik rafften die meisten Gammas dahin. Gut erhaltene Maschinen werden heute zum doppelten Neupreis angeboten – es wäre keine schlechte Idee gewesen, eine meiner RGVs (ich hatte in der Tat zwei) zu behalten. Mit ihr lernte ich das Fahren, wagte mich erstmals in Schräglage und drang in illegale Geschwindigkeitsbereiche vor. Die kleine Säuferin Suzuki RGV 250 Gamma behält nicht nur deswegen einen besonderen Platz in meinem Motor-Herz.
Fazit:
Das erste Motorrad vergisst man nie …
Suzuki
LS 650 Savage
Der Fahrschul-Chef meinte trocken, mit einem Fingerzeig auf meine RGV: „Mit DIESER Maschine darfst Du nicht fahren“. Daran hatte ich in meinem Motorradwahn nie gedacht – mein Stufenführerschein erlaubte nur Maschinen mit bis zu 27 kW. Und das für drei ewig lange Jahre. Die Gamma aber drückte doppelt so viel. Geknickt gab ich sie für die Suzuki LS 650 Savage in Zahlung. Lückenbüßer haben es aber nie leicht – nach nur 6.000 gefahrenen Kilometern hatte ich von der überhaupt nicht „Wilden“ genug. Weder Motorleistung noch Fahrwerk oder Bremsen, in Konsequenz auch das Fahren damit, bereiteten mir je Freude. Keine guten Erinnerungen – nach der LS ging ich in den Untergrund …
Zwischen den mittlerweile mehr als aufgedunsenen modernen Cruisern ist die Savage ein kleines und dank Einzylinder auch einzigartiges Motorrad. Den Geist eines auf das Notwendigste reduzierten Choppers transportiert kein anderes Motorrad so wie sie.
Fazit:
Ich war noch nicht entspannt genug für die Wilde …
Yamaha
FZR 1000 Exup
Diese Maschine hatte von allem mehr: Im Vergleich zur Savage 650 fünfmal mehr Leistung, war gefühlt zweimal so breit und fuhr mehr als doppelt so schnell. Ein Tier, das ich illegal bewegte. Mit ihr ging ich auf die ersten Reisen und fuhr über 40.000 km völlig problemlos durch die Welt. Als aber die ersten teureren Verschleißteile fällig wurden, trennte uns mein armseeliges Zivildiener-Gehalt.
Sie war zu ihrer Zeit das, was eine Ducati Panigale heute ist: das wildeste Ding auf zwei Rädern. Komplett davon besessen, kaufte ich mir am Ende meines Zivildiensts nochmals ein Exemplar – dieses hatte allerdings massive Standschäden und ging leider wieder zurück zum Händler.
Fazit:
Ein Mann muss in seinem Leben …
Yamaha
TRX 850
Nach den fetten Jahren auf der 1000er FZR kam die Yamaha TRX zu mir – eine dreiste Ducati-Kopie. Fuhr sich erstklassig, war äußerst sparsam und optimal motorisiert – aber vor allem war sie schön! Wie in vielen Beziehungen pfuschte allerdings ein Dritter übel mit. Ausgerechnet Yamaha arbeitete mit aller Kraft daran, mich und meine TRX zu trennen.
Für mich war die 850er lange Zeit das perfekte Motorrad: Schräger Spaß auf allen Wegen. Über 60.000 gefahrene Kilometer lang genoss ich das Straßensurfen, bevor ich mich wegen eines von meiner Werkstatt verschuldeten Motorschadens von ihr trennen musste.
Fazit:
Weniger war in diesem Fall definitiv mehr ..
Triumph
Daytona T595 / 955i
Gerne wäre ich den drei Stimmgabeln treu geblieben – aber nach dem Werkstatt-Desaster war Yamaha keine Option mehr. Die R1 habe ich heißersehnt – an ihrer Stelle fand eine britische Lady zu mir: die dreizylindrige Triumph Daytona T595. Sie war meine bis dahin teuerste Anschaffung, auch sie war eine Ducati-Kopie und auch sie war wieder ein Lückenfüller. Und sie war Hauptdarstellerin eines weiteren Dramas in zwei Akten – dank Wandlung der ersten, niemals ordentlich funktionierenden Maschine. So schön diese Motorräder auch waren – sie fuhren ihrer Zeit weit voraus und hinkten bewährten Standards doch meilenweit hinterher.
Keines meiner Motorräder stand öfter in der Werkstatt, keines machte mehr Probleme. Keines war heißblütiger, keines hat mich mehr genervt. Aber ihr aggressives Ansauggeräusch hallt in meinen Erinnerungen immer noch markerschütternd nach …
Fazit:
Ohne die Daytonas würde mir etwas fehlen …
KTM
LC4 640 / 625 / 690
Die Einzylinder-Supermotos von KTM – sie entzündeten den Wahnsinn in meiner Motorradfahrer-Seele beim ersten Dreh am Gasgriff. Wheelies, Stoppies, Drifts, Stürze, Akrobatik, Spannung und Spaß. Wunscherfüller und Spielgefährten, allesamt, alle drei. Fahrerisch machte ich damit riesige Schritte nach vorne – WAS für eine geniale Zeit!
Man(n) wird älter und ruhiger – aber immer immer wieder drehe ich meinen Kopf, wenn ein scharfer Einzylinder vorbeiknallt. Die Erinnerungen an den Spaß auf der Gass‘ sind in Stein gemeißelt. Ohne die drei Supermotos wäre meine Motorradfahrerei ab 2002 ganz anders verlaufen: wahrscheinlich unsportlicher, ganz sicher weniger irre, vor allem aber weniger lustig.
Fazit:
Zweiter Gang, Vollgas – Wheelie!!
KTM
LC8 1290 Superduke R
Das Fahrwerk der Duke III war sensationell, aber den Motor mochte ich weniger leiden. Mir fehlte der Wums von ganz unten, den insbesondere die 625er SCSM ablieferte. Mein Dealer hatte die Lösung im Laden stehen: die ganz große Duke, das Beast, eine 1290er Superduke R, Baujahr 2016. Gnadenlos übermotorisiert und mit zu viel von Allem gesegnet, vereinte die Große alles, was ich damals in einem Motorrad suchte. Handlichkeit, Power in jedem Drehzahlbereich, besondere Optik. WAS für eine Maschine!
Sie fraß Reifen wie kein anderes Motorrad vor ihr. Ich war permanent im Clinch mit rutschenden oder abhebenden Rädern. Engagierte Fahrten auf Stilfser Joch bescherten mir Schmerzen in den Oberarmen, so heftig war der Zug der Maschine. Unfassbar, was KTM da geschaffen hat. Dennoch gab ich sie nach vier Jahren in Zahlung. Sie war einfach eine Nummer zu viel für mich. Aber – ich wiederhole mich gern: WAS für eine Maschine!
Fazit:
Zuviel ist nie genug …
An weiteren Erinnerungen arbeite ich noch – ich bin ja nicht Motorrad-monogam.
Diese Zeilen hier sind natürlich nicht alles, was ich über meine bisher gefahrenen Motorräder erzählen kann. In meinem Buch „Motorprosa – Geschichten aus der Kurve“ könnt Ihr auf über 130 Seiten Erinnerungen an 25 schräge Jahre auf dem Motorrad nachlesen.