
Hallo! Ich bin’s – Dein neuer Hinterreifen. Der an Deiner KTM 1290 Superduke R. Ich wollte mich mal kurz in Erinnerung rufen, lange werde ich nämlich nicht bei Dir sein ..

Eisig war es, und dunkel, da im Lager in Hannover, in dem ich lag. Es wurde nicht geheizt und nicht beleuchtet, das sei besser für die Spannkraft und die Beweglichkeit, hieß es. Ich lag lange dort und wurde jäh von meinem schmalerem Kollegen getrennt. Du hast mich online bestellt, mitten im Schnee- und Eis-Chaos des Frühjahrs 2018; der freundliche Chauffeur des Lieferwagens brachte mich in wenigen Tagen in die Schweiz, zu Dir. Eingepackt in Transportfolie, die ekelhaft an mir klebte. Das hat Dir wohl auch nicht gefallen – oder weshalb sonst hast Du mich unbeachtet wochenlang in Deinem kalten und finsteren Keller stehen lassen?
Aber einmal kommt der Tag. Immer. Nach einer Menge Werkzeug und diversen Utensilien kam auch ich an die Reihe, mich auf Deiner Gartenterrasse von den Sonnenstrahlen des Frühlings aufwärmen zu lassen. Lange Hebel und schwere Eisen, dicke Matten und stabile Handschuhe, glitschige Seife und klemmende Plastikbügel lagen neben mir – und eine mächtige, breite, schwarze Felge mit einem arg mitgenommenen Kollegen von mir. Er gesichtslos, zerrissen, unförmig, abgefahren, ich prall im Leben stehend, glänzend, speckig, fett, sogar noch mit Aufkleber.
In der wärmenden Sonne liegend und dabei immer weicher werdend, konnte ich mir das Schauspiel ansehen: schweres Metall drückte dem Kollegen die letzte Form aus dem Rund, schwere Hebel zwängten ihn von der Felge, ein deftiger Druck Deines Knies löste ihn vom Rad. Nach getaner Arbeit fand er seine Ruhe in einem stillen Eck des Gartens.
Ich ahnte schon, dass die Hebel sich auch an mir zu schaffen machen würden. Dank ordentlich Schmiermittel tat es dann auch gar nicht so sehr weh, als Du mir die Felge in den Leib jagtest – mein Widerstand war kurz und sinnlos. Auch die mehr als 3 eingeführten Bar Luftdruck überstand ich gut, dennoch war ich anschließend sehr froh über das von Dir kurz geöffnete Ventil. Es gefiel mir, wie Du mit kleinen Bleigewichten zärtlich am Rad auswuchtend gearbeitet hast, aber am Ende fürchtete ich mich vor dem großen Werkzeug und den 250 Nm, mit denen Du die Felge an den Rest vom Motorrad brachtest.
Mein Name ist Dunlop Sportsmart 2 Max.
Ich bin ein Hinterreifen.

Je mehr ich mich anstrenge, umso dünner werden meine Muskeln..
Meine Maße sind 190-55-17, und ich bin nun ein Teil Deines Beasts – der KTM 1290 Superduke R. In mir steckt eine 6 Zoll breite Felge, an der zerrt eine massive Kette, und an dieser ein abartig wütender V2-Motor mit 1,3 Litern Hubraum und 170 PS. Ich trage gemeinsam mit meinem schmalen Bruder im Vorderrad die Last von knapp 200 kg Motorrad und Deinen 90. Gar nicht so selten zwingst Du mir das gesamte Gewicht auf, wenn der Zug am Gas ein Wheelie auslöst.
Ich drücke mich dann mit meinem weichen Gummi in den rauen, bösen Asphalt und lasse mich von ihm kneten, kratzen und abschürfen. Mit allen Kräften wehre ich mich gegen die Gewalt der Kette, aber nicht in allen Kurven gelingt mir das – ich verliere den Halt meist nur kurz, denn Du magst es offensichtlich nicht, wenn ich auf Wanderschaft gehe.
Ich ertrage Schlaglöcher, ich wehre mich gegen spitze Steine, ich drücke Wasser von mir und ich fürchte mich nicht vor Verdauungsprodukten vierbeiniger Almbewohner. Ich bin schwindelfrei und steige auch gerne mal in die Luft, wenn mein Kollege im Vorderrad zum Stoppie ruft. Ich bin meist allzeit bereit für sämtliche Schandtaten, aber ich brauche ein paar Minuten zum Aufwärmen. Nur das Bodybuilding beherrsche ich nicht – je mehr ich mich anstrenge, je mehr ich gebe, je mehr ich gegen Motor und Kette und Asphalt kämpfe, desto dürrer werde ich. Muskelaufbau kenne ich nicht.
Ich bin immer hinter Dir, und als Dein Hinterreifen kann ich der Grund dafür sein, dass da, wo du bist, vorne ist. Das Brennen vom Benzin im Motor bringt mich in Schwung und trägt Dich durch die Welt. Ein Stück weit jedenfalls, mehr als 3.000 km werde ich wohl nicht aushalten. Also, bitte behandle mich auf unserem kurzen, gemeinsamen Weg gut und lass‘ mich nicht im Stand unnütz gegen die Straße kämpfen – das tut nämlich wirklich weh. Ich werde Dir dann gute Dienste leisten, und ich habe sogar eine Versicherung mitgebracht, falls mal etwas Unerwünschtes den Weg in mein Innerstes finden und ich deswegen meine Kraft verlieren sollte.
Also, wart‘ nicht länger! Start‘ Dein Beast und zeig‘ mir Deine Strecken.