
Nach langer Bekanntschaft auf Social Media ergab sich in diesem Sommer etwas Persönlicheres. Ulla Kugler, Reisende und Autorin, hat mich durch Frankreich begleitet – auf Facebook mit Impressionen ihrer eigenen Provence-Fahrt, im Luberon mit ihrem aktuellen Buch „Garagengeflüster“. Das hat mich in den lauen Sommerabenden unter Platanen wunderbar unterhalten – und nun habe ich Fragen.

Ulla gehört zu den Menschen, die auf Social Media zwar präsent, aber nicht laut sind. Ihre schön gestalteten Beiträge stechen aus der Content-Masse hervor und sind von der besonderen Art, die mich zum Innehalten und Lesen zwingt. So fiel mir, während der Arbeit an meinem eigenen Buch, ihr erstes Werk – „Die Sozia, die sich was traute“ – auf.
Was mag wohl dieses WAS sein? Rennstrecke fahren, hinten drauf? Rückwärts auf dem Motorrad sitzen und Rockern so den Stinkefinger zeigen? Nein – es geht um etwas Mutigeres: Ulla machte mit 59 Jahren noch den Motorrad-Führerschein.
Motorrad-Führerschein mit 59.
Warum?

Ulla, erzähl‘ doch mal!
„Nun, da war nicht die Überlegung, es als Frau dem männlichen Geschlecht gleich zu tun – ich bin emanzipiert genug. Den Drang, mir etwas beweisen zu müssen, gab es ebenfalls nicht – denn ich bin auch selbstbewusst genug. Nein, ich wollte einfach nach ein paar Jahren als Sozia bei meinem Mann aktiver an dem Hobby Motorradfahren teilnehmen. Nur hinten draufsitzen war zwar ganz nett, aber auf Dauer doch eher langweilig.“
Also meldete sie sich in einer Fahrschule an – als Altführerschein-Inhaberin benötigte sie lediglich eine praktische Prüfung, um den A2-Führerschein zu erhalten. Jedoch war ihr klar, dass dieses Vorhaben als Neuling nicht ohne Fahrstunden funktionierte. Sie hatte zwar zuvor schon Erfahrung auf einem Trike gesammelt, doch ist das Beherrschen eines Zweirads eine andere Hausnummer als das eines Dreirads. Die Handhabung ist sogar wegen der unterschiedlichen Fliehkräfte-Situation eine völlig andere.
Da sie als Auto-Vielfahrerin die verschiedensten Fahrzeuge gefahren hatte und zudem aus ihrer Dreirad-Zeit das Zusammenspiel von Kupplung, Schaltung, Gas und Bremse kannte, war es relativ schnell geschafft und sie hielt den A2-Führerschein für Motorräder bis 48 PS in den Händen. Noch einfacher klappte es nach zwei Jahren mit dem offenen Motorrad-Schein – Ulla hatte da schon einige Motorrad-Reisen durch Europa hinter sich.
Wie war das dann –
mit dem eigenen Motorrad?
„Nun, so ganz unbeleckt war ich als Zweiradfahrerin ja nicht“, gibt sie zu. „Früher bin ich längere Zeit Mofa gefahren! Frisiert sogar! Von 25 auf 27 km/h!“, lacht sie. „Ich wollte immer unabhängig von meinen Eltern zu meinem Pferd kommen. Das ging damals nur mit einem Mofa.“ Die Reiterei begleitete sie rund 40 Jahre ihres Lebens.
„Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Pferd und Motorrad. Das Gleichgewicht, das Aufsteigen und die Zügel- beziehungsweise Lenkerführung sind sich ziemlich ähnlich. Außerdem benötigt man für beide Fortbewegungsmittel sehr viel Sensibilität!“
Irgendwann überwog aber doch die Reiselust, die mit der Tierhaltung nicht zu vereinbaren war, und Ulla stieg vom Rücken des Pferdes auf das Motorrad um. Immerhin hieß es nach wie vor „Aufsteigen und auf dem Sattel Platz nehmen!“ Zunächst ging es als Sozia mit ihrem Ehemann in die Toskana, dann nach Sardinien und nach Norwegen. Als Ex-Sozia dann mit dem Dreirad nach Polen, in die Dolomiten und rund um die Adria.
Auf in
die große Freiheit!
Schließlich rief die große Freiheit: Nach der Frühpensionierung wurden die Reisen länger. Ulla war zunächst auf einer Honda NC750s, dann mit einer Yamaha MT07 unterwegs, ihr Mann fuhr lange Jahre mit einer Goldwing 1800. Ulla’s Outfit, gelber Helm und schwarze Motorrad-Lederkleidung, führten zum scherzhaften „Biene Maja“ – daraufhin begleiteten sie lange Zeit zwei kleine Figuren, Maja und Willi, als Maskottchen und Markenzeichen.

Gemeinsam am Reisefieber leiden ..
„Es war eine unbeschreiblich spannende und schöne Zeit!“, schwärmt Ulla rückblickend. Auf den Reisen kam Abenteuerfeeling pur auf: rund um die Iberische Halbinsel, nach Griechenland, rund um die Ostsee bis zu den Lofoten, nach Sankt Petersburg und in die Baltischen Staaten sowie als spektakulärste Reise die Tour ans Schwarze Meer über Ungarn, Rumänien, Bulgarien bis in die Türkei. Höhepunkt dort war das sagenhafte Kappadokien mit seiner einzigartigen Felsenlandschaft.

Sagenhafte Eindrücke
„Am Reisen faszinierten uns einerseits die fantastischen Landschaften und andererseits die unglaublich freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die wir überall angetroffen haben“, zieht Ulla das Fazit ihrer Reisen.
Doch nicht nur das Reisen selber begeistert die ehemalige Journalistin und Pädagogin, sondern auch das Schreiben und das Fotografieren. So berichtet sie regelmäßig sehr gerne über ihre Touren und die jeweiligen Besonderheiten der fernen Länder bei Facebook und in ihrem Blog auf ihrer Website.

Wenn das Reisefieber mal ausgebrochen ist ..
Und dem nicht genug: Inzwischen hat sie zwei Motorrad-Bücher geschrieben. Das erste über ihre persönlichen Erlebnisse als „Sozia, die sich was traute“. Das zweite beinhaltet humorvolle und spannende Motorrad-Kurzgeschichten, inspiriert von den Bikes in der Garage, die sich gegenseitig Geschichten erzählen. Titel: „Garagengeflüster“.
Nun auf
vier Rädern
Doch alles hat seine Zeit. Seit zwei Jahren gehen die beiden mit dem Wohnmobil plus Roller auf Tour. Hier reist als Maskottchen Marienkäfer „Mariechen“ mit. „Gerade in der Pandemie, als die Unterkünfte noch geschlossen waren, war es außerordentlich praktisch, die eigenen Betten dabei zu haben“, berichtet Ulla. „Und da nur ein Roller in die Wohnmobil-Garage passt, habe ich mich eben wieder hinten drauf gesetzt.“
Schweren Herzens hat sie sich zu Hause dann von ihrer Yamaha MT07 getrennt und wurde wieder Sozia bei ihrem Mann. „Ich fahre zu Hause zu wenig selber, um voll der Sicherheit zu genügen, die man als Motorradfahrer benötigt“, erklärt sie mit einem Seufzen. „Daher ist es verantwortungsvoller, nicht mehr selber zu fahren, was mir natürlich sehr schwerfiel. Aber Sicherheit geht vor!“

Unterwegs zu besonderen Zielen – wieder als Sozia
Doch auch als Sozia geht es auf zwei Rädern zu besonderen Zielen, über die sie weiterhin berichten wird. Ich bin gespannt! Wer mehr wissen möchte – weitere Infos gibt es unter www.ex-sozia.de, www.ex-sozia.de/buchtipp oder bei Facebook unter Ulla Kugler.
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