Sonnenaufgang auf 2.800 Metern Höhe – ruhige, magische Momente auf dem Stilfser Joch, Italiens höchstem Alpenpass. Einmalig, selbst, wenn man es dutzende Male erlebt hat. Einmalig, selbst wenn man es gemeinsam erlebt. Diesmal mit dabei: Julia von www.maedchenmotorrad.de – sie hat die Magie dieser morgendlichen Ausfahrt auf ihrem Blog festgehalten.
6:30 Uhr. Du sitzt, mit dem Verschluss Deiner Thermoskanne in der Hand, im kalten, kantigen Schotter auf knapp 2.800 Metern Meereshöhe. Hinter Dir ragt der Turm des Alpengasthofs Tibet-Hütte in den noch dunklen Himmel. Der Dampf vom Kaffee malt eine kleine Wolke vor Dein Gesicht, Deine Brille beschlägt, Du bist sprachlos, staunst in die Ferne.
Nicht weit von Dir durchbricht das Knistern heißgefahrener Motoren ein letztes Mal die Stille des frühen Morgens, bevor der kalte Wind das Metall besiegt. Der Stein, auf dem Du den Seitenständer Deines Motorrads abgestellt hast, knirscht und drückt sich leicht in den aufgeweichten Untergrund.
Vor noch nicht mal einer Stunde schob Deine Ducati das Finster aus eine der vielen Kehren auf dem Weg zum Stilfser Joch, durchbrach die Stille des Berges mit dem Rasseln ihrer Trockenkupplung und dem Stampfen aus den beiden Auspuffen. Buckel warfen im Licht des Scheinwerfers scharfe Kontraste über den alten Asphalt, Sand und Ölspuren versteckten sich unter fahlen Flecken. In den vielen Schräglagen hast Du mit Deiner Streckenkenntnis gegen die trüben Konturen der nicht beleuchteten Straße gekämpft.
Dein warmer Atem im kalten Helm zwang Dich, mit offenem Visier zu fahren. Jetzt brennen Deine Augenwinkel salzig, die Nase läuft, die Lippen ausgetrocknet – das ist wenig schmeichelhaft. Deine Beine liegen ausgestreckt auf dem abfallenden Fels, erholen sich vom Zusammengefaltet-Sein auf Deinem Sport-Motorrad. Kleine Steine fallen, von Deinen Stiefeln gelöst, in die Tiefe.
In der Ferne geben Bergkämme und Wolken mit dem dunklen Himmel und der aufgehenden Sonne ein Konzert immer lauter und intensiver werdender Farben. Aus dem roten Glimmen, das Du während der Fahrt hier hoch bewundern konntest, wird ein helles, gelbes Strahlen, aus dem Rosa der erst jetzt zu erkennenden Wolken ein leuchtendes Weiß. Die Begrenzungssteine der Straße gegenüber tauschen ihr Grau gegen ein warmes Orange, werfen minütlich längere Schatten.
Tausend Meter unter Dir, im Trafoier Tal, ist von diesem Spiel nichts zu erkennen – dichte Wolkenfelder hängen zwischen den Bergwänden und versperren den Blick nach oben. Wie angeblasene Watte wabern sie durch das Tal, kleine, mutige Fetzen lösen sich vom großen Ganzen und vereinen sich wieder mit ihm.
Der Blick in die Sonne ist nur durch das Kamera-Display zu ertragen. Ihre mächtigen Strahlen werfen sich in das Dir zu Füßen liegende Tal, erwecken das Grün der Hänge, erhellen das Grau der Felsen, intensivieren das Gelb der Gletscherhahnenfuß-Blüten.
Alpendohlen lassen sich auf den angestrahlten Felsen nieder, markieren lautstark ihr hochalpines Revier. Glänzende Flugzeuge ziehen über Dir ihre Bahnen, zeichnen dünne Wasserdampf-Linien ins Blau, die erste Sessellift-Gondel bewegt sich lautlos hoch zum Gletscher, der nur im Sommer Skifahren erlaubt.
Ein letzter Schluck Kaffee, ein letztes Foto der glänzenden Eisflanke am mächtigen Ortler, ein letztes Selfie, dann sortierst Du Dich wieder auf Deinem Bike, startest den ausgekühlten Motor, hältst Deine Ducati in der dünnen Luft mit kurzen Gasstößen am Leben, fährst über scharfe Steine und farbloses Schmelzwasser, bevor Du unter den Pfiffen der ersten Murmeltiere Dein einsames, stilles Stilfser Joch dem Trubel eines neuen Tages überläßt.
Tausend Mal warst Du schon hier oben – mit Motorrädern, mit dem Cabrio, mit dem Fahrrad. Und immer hast Du hier magische Momente erlebt, die Dich wieder und wieder hoch locken werden.
Hallo Jürgen,
wirklich magische Momente. Toll geschrieben!
Leider habe ich es mit dem Motorrad noch nicht zu einem Sonnenaufgang
auf einen Pass geschafft. Aber ich arbeite daran….
Herzliche Grüße
Bine
Hallo Bine,
der Tag bzw. der Morgen wird kommen, ganz bestimmt. Ich drück Dir alle Daumen!
Liebe Grüsse,
Jürgen
Ich hab das bisher nur einmal geschafft, mal zum Sonnenaufgang auf einem Pass zu sein.
Um 4 Uhr in die tiefschwarze Nacht durch due Schweizer Alpen zu fahren, war dann auch ein besonderes Erlebnis und wurde dann vom Warten auf die Sonne noch versüsst.
https://blog.max-fun.de/2019/10/13/zum-sonnenaufgang-auf-den-grimsel/